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Costa Rica setzt auf deutsche Berufsbildungsexpertise

Staatssekretär Dr. Georg Schütte (BMBF) und der costa-ricanische Bildungsminister Edgar Mora Altamirano unterzeichneten am 6. März 2019 im Bonner Dienstsitz des BMBF eine gemeinsame Absichtserklärung. Ziel ist es, Costa Rica bei der Reform seiner Berufsausbildung weiter zu unterstützen.

Staatssekretär Dr. Georg Schütte, BMBF, (links) und der costa-ricanische Bildungsminister Edgar Mora Altamirano (rechts) bei der Unterzeichnung der Absichtserklärung

Eingebettet war die Unterzeichnung in einen einwöchigen Studienbesuch auf Einladung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Minister Edgar Mora Altamirano wurde begleitet vom costa-ricanischen Arbeitsminister Steven Núñez Rímola und der Botschafterin Costa Ricas in Deutschland, Lydia Peralta Cordero, sowie von weiteren hochrangigen Vertreterinnen und Vertretern der costa-ricanischen (Berufs-)Bildungslandschaft.

Bereits seit 2016 arbeiten Deutschland und Costa Rica in der beruflichen Bildung zusammen. Costa Rica möchte eine duale Berufsausbildung einführen. Dies ist ein zentrales Anliegen der neuen Regierung Costa Ricas und des Bildungsministers Edgar Mora Altamirano. Sein erstes Amtsjahr war von starken innenpolitischen Auseinandersetzungen gekennzeichnet: ein landesweiter Generalstreik hatte in der zweiten Jahreshälfte 2018 das Bildungssystem weitgehend paralysiert. Ursache war vor allem ein enormes Haushaltsdefizit und daraus folgend die Ankündigung der Regierung zu einschneidenden Steuerreformen. Ende 2018 konnte der Streik weitgehend beigelegt werden und ein parteiübergreifend ausgehandelter Kompromiss in der Bildungskommission über ein Berufsbildungsgesetz in erster Lesung verabschiedet werden. Anfang 2019 brachen die Debatten erneut auf. Dabei ging es vor allem um die Frage nach der rechtlichen Absicherung der Auszubildenden. Unter diesen Rahmenbedingungen wurden die Themenschwerpunkte der Studienreise definiert und der Fokus auf die rechtliche und institutionelle Verankerung der dualen Ausbildung in Deutschland gesetzt. Auf dem Programm standen verschiedene Stationen in Berlin, Bonn und Koblenz. 

Die Delegation im ABB Ausbildungszentrum Berlin gGmbH (Trainingcenter) mit Geschäftsführer Gerd Woweries
Die Delegation im Oberstufenzentrum Kraftfahrzeugtechnik, Berlin, mit Schulleiter Roland Rahmig (links)
Der costa-ricanische Arbeitsminister Steven Núñez Rímola (links) und Bildungsminister Edgar Mora Altamirano (rechts) mit Yasmin Fahimi, Bundestagsabgeordnete (Mitte)

Wie funktioniert im deutschen Berufsbildungssystem die Lernortkooperation? Und wie gelingt die Rollenverteilung der einzelnen Akteure? Daran war die costa-ricanische Delegation besonders interessiert. Denn in Costa Rica findet berufliche Bildung weitestgehend an einem Lernort statt - nämlich der Berufsschule. Diese und weitere Fragen konnten beispielsweise beim Besuch des Berliner Oberstufenzentrums Kraftfahrzeugtechnik in Charlottenburg mit Schulleiter Roland Rahmig diskutiert werden. Einen Einblick in die Bandbreite staatlich geförderter Unterstützungsmaßnahmen, auch auf Landesebene, sowie in das deutsche Übergangssystem erhielten die Gäste beim Bildungsanbieter kiezküchen gmbH. Margrit Zauner, Abteilungsleiterin für die Abteilung Arbeit und Berufliche Bildung der Senatsverwaltung Integration, Arbeit und Soziales begrüßte die Gäste im Namen des Berliner Senats. Beim Besuch der Kraftwerks‐ und Spezialteile GmbH und im ABB Ausbildungszentrum Berlin gGmbH erzählten Auszubildende von ihrem Werdegang und ihren Erfahrungen in der dualen Ausbildung.

Im zweiten Teil der Woche standen  in der HWK Koblenz die Themen Verbundausbildung, überbetriebliche Ausbildung sowie KMU-Förderung auf dem Programm. Im Audi Zentrum diskutierten die Gäste lebhaft mit Geschäftsführer Holger Schwarz darüber, wieso es sich für Unternehmen lohnt auszubilden.

Der Studienbesuch beleuchtete duale Berufsausbildung aus verschiedenen Perspektiven und machte das komplexe Modell auf diese Weise verständlich. Auf große Resonanz stieß die Paneldiskussion im DGB-Haus in Berlin zum sozialpartnerschaftlichen Dialog in der deutschen dualen Berufsausbildung. Nach Begrüßung der Gäste durch die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack, demonstrierten Thomas Giessler (Referatsleiter für Berufsbildungspolitik, DGB), Dr. Mark Heinzel (Referatsleiter Nord- und Lateinamerika, DIHK) und Sven-Uwe Räß (Abteilungsleiter Berufsbildung, AG Gesamtmetall) in einer lebhaften Debatte ihre Standpunkte. Vor allem wurde deutlich, wie der costa-ricanische Arbeitsminister Steven Núñez Rímola feststellte, dass das Fundament des deutschen dualen Ausbildungssystems eine Dialogskultur sei, die es den Sozialpartnern ermögliche, Kompromisse zu schließen. Auch Costa Rica habe darin eine lange Tradition, und diese gelte es zu vertiefen.

In einem Gespräch mit der Bundestagsabgeordneten Yasmin Fahimi, Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, betonte diese ebenfalls, dass der sozialpartnerschaftliche Dialog Voraussetzung für die Erreichung verschiedener wirtschaftlicher und gesellschaftspolitischer Ziele sei.

Die Delegation im Bundeinstitut für Berufbildung mit BIBB-Präsident Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser (Mitte)

Zum Abschluss der Reise besuchte die Delegation das BIBB in Bonn. BIBB-Präsident Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser verwies auf die Bedeutung des deutschen Berufsbildungsgesetzes: „Das Gesetz ist die zentrale Rechtsgrundlage für die Steuerung des Berufsbildungssystems“, so Esser. Lesen Sie hier den gesamten Beitrag

Im Anschluss kamen Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Fachabteilungen des BIBB mit wissenschaftlichen Analysen und Projektergebnissen zu Wort. Von großem Interesse für die costa-ricanischen Politik- und Fachvertreter waren beispielsweise die Themen Standardentwicklung und Berufsbildung im Zeitalter der Digitalisierung. Das Thema Inklusion müsse bei einer Reform des Systems von vornherein gleich mitgedacht werden, so die einhellige Meinung der Gäste nach einem Fachvortrag.

Mit Ausblick auf die nach der Reise anstehenden Sitzungen der Bildungskommission im costa-ricanischen Parlament zum Gesetzentwurf der dualen Berufsbildung war das Fazit der Gäste rundweg positiv. Bildungsminister  Edgar Mora Altamirano betonte zum Abschluss einer ereignisreichen Woche, wie wertvoll die Anregungen seien, die seine Delegation und er mit nach Hause nähmen. Costa Rica hätte schon vor Dekaden eine neue Bildungspolitik definiert und könne große Erfolge vorweisen. Die Herausforderung im 21. Jahrhundert aber hieße Qualität. Sie hätten nun ein sehr viel genaueres Verständnis und differenziertes Bild vom deutschen dualen Ausbildungssystem sowie dessen wirtschaftlicher, gesellschaftspolitischer und sozialer Einbettung. Minister Edgar Mora Altamirano empfahl, sich aus den Kernelementen zunächst einmal diejenigen auszusuchen, die die costa-ricanische Reform am besten voranbringen könnten – selbstverständlich angepasst an die gewachsenen Gegebenheiten des mittelamerikanischen Landes.

Neben den Ministern und der Botschafterin Costa Ricas in Deutschland, Lydia Peralta Cordero, zählten zu der Delegation: Ministeriumsvertreter, parlamentarische Abgeordnete und Mitglieder der Berufsbildungskommission, Repräsentantinnen des Nationalen Bildungsinstituts (INA), der Nationalen Technischen Universität (UTN) und  Vertreter der Lehrergewerkschaft SEC. Die Zentralstelle der Bundesregierung für internationale Berufsbildungskooperation (GOVET) im BIBB organisierte die Reise im Auftrag des BMBF als Teil der bilateralen Kooperation mit Costa Rica.