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OER für mehr Nachhaltigkeit im Bereich Spedition und Logistik

Das Modulhandbuch von Pro-DEENLA ist ein Beispiel für OER im Bereich der Berufsbildung. Es richtet sich an Azubis und Ausbilder*innen im Bereich Spedition und Logistik. Warum die Lernaufgaben auch für den internationalen Kontext relevant sind, verrät Harald Hantke von der Uni Lüneburg im Interview.

Nachhaltigkeit ist ein Megatrend, der branchenübergreifend große Veränderungen mit sich bringt. Keine kleine Herausforderung ist dies für Betriebe in der Transport- und Logistikbranche, einer Branche, in der schnelles Handeln entscheidend ist. Nachhaltigkeit scheint oft im Widerspruch zu effizienten Prozessen zu stehen. Doch nachhaltig, sozial und umweltschonend zu handeln, ist insbesondere im Berufsalltag eine wichtige Aufgabe – und  dabei legt die berufliche Ausbildung den Grundstein.

Wie können Betriebe unterstützt werden, wenn es darum geht, Ausbilder*innen und Auszubildende für Nachhaltigkeit zu sensibilisieren? Genau da setzte Pro-DEENLA an. Pro-DEENLA war ein Modellversuch aus dem Modellversuchsförderschwerpunkt „Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung 2015-2019“ und wurde vom BIBB aus Mitteln des BMBF gefördert. Gemeinsam mit 15 Partnerbetrieben konzipierte die Leuphana Universität Lüneburg im Verbund mit dem Steinbeis-Innovationszentrum Logistik und Nachhaltigkeit Sinsheim 27 nachhaltig ausgerichtete Lernaufgaben mit dem Ziel, mehr ökologisches und soziales Handeln in die Betriebe zu bringen. Die Themen haben eine große Bandbreite und umfassen unter anderem zukunftsorientierte Lieferketten durch Kombinierten Verkehr, Energieeinsparung und Ressourcenreflexion sowie digitalisiert nachhaltiger Wirtschaften. Im Interview mit der GOVET Redaktion verrät Harald Hantke von der Leuphana Universität Lüneburg mehr über den Modellversuch und warum die Pro-DEENLA Module auch für den internationalen Kontext relevant sind.

Pro-DEENLA im Überblick

Die Pro-DEENLA Lernaufgaben wurden in einem Handbuch zusammengefasst und können in der betrieblichen Ausbildung zum Kaufmann / zur Kauffrau für Spedition und Logistikdienstleistung eingesetzt werden. In Deutschland ist dies einer von insgesamt 326 Ausbildungsberufen des Dualen Systems. Unter den Lernaufgaben sind auch zwei englischsprachige Module. Weitere Pro-DEENLA-Lernmodule werden zurzeit ins Englische übersetzt. Das Modulhandbuch ist über die BIBB Website erreichbar.
 

zur BIBB Website

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in der Ausbildung der Transport- und Logistikbranche und warum ist es wichtig, Nachhaltigkeit in die Ausbildung zum Kaufmann / zur Kauffrau für Spedition und Logistikdienstleistung zu integrieren?

Im Berufsalltag befinden wir uns häufig in einem Widerspruch zwischen Effizienz und Nachhaltigkeit und die Transport- und Logistikbranche ist eine Branche, in der Schnelligkeit eine besonders hohe Priorität hat. Nachhaltige Entwicklung findet daher bisher kaum Beachtung. Dennoch ist es machbar, nachhaltiger zu handeln – und es ist wichtig, bereits in der Ausbildung den Grundstein für so genannte „Green Skills“ zu legen. Unser Projekt setzte genau hier an. Die Auszubildenden lernen die Widersprüche im Alltag aufzudecken und diese lösungsorientiert zu gestalten.

Wofür steht Pro-DEENLA?

Hinter dem Akronym Pro DEENLA steckt die „Proaktive Qualifizierung des Berufsbildungspersonals durch dynamisch ausgerichtete Entwicklung, Erprobung und Verbreitung nachhaltiger Lernaufgaben in der dualen Ausbildung“. Im Mittelpunkt des Projekts stand die Frage, wie Ausbilder*innen und Auszubildende in der Transport- und Logistikbranche dahingehend qualifiziert werden können, dass sie in ihren ökonomisch geprägten Arbeitsroutinen ökologische und soziale Aus­wirkungen des Wirtschaftens gestaltungsorientiert mit berücksichtigen.
Pro-DEENLA verfolgte das Ziel, nachhaltig ausgerichtete Lernaufgaben für den Einsatz in der betrieblichen Ausbildung zum Kaufmann / zur Kauffrau für Spedition und Logistikdienstleistung zu konzipieren, zu erproben und zu verbreiten. In diesem Prozess erlangten sowohl das betriebliche Berufsbildungspersonal als auch die Auszubildenden von 15 Praxispartnerbetrieben Kompetenzen für ein nachhaltig ausgerichtetes berufliches Handeln.

Sie haben gemeinsam mit Ihren Partnern ein Handbuch entwickelt, das Auszubildenden Nachhaltigkeit näherbringen soll. Wie funktioniert Ihr Konzept und wie integriert sich das Lernen in den Ausbildungsalltag?

Im ersten Teil der einzelnen Lernmodule werden für das Berufsbildungspersonal (didaktische) Hinweise zum betrieblichen Einsatz der konzipierten Lernaufgaben formuliert. Dadurch wird das Berufsbildungsbildungspersonal dazu befähigt, im eigenen Unternehmen Kompetenzen für ein nachhaltiges Wirtschaften auszubilden. Der zweite Teil der Lernmodule umfasst die einzelnen Lernaufgaben, mit denen sich die Auszubildenden auch unabhängig von ihren Ausbilderinnen und Ausbildern auseinandersetzen können. Unser Handbuch wurde auf Grundlage aktueller Erkenntnisse zum nachhaltigen Handeln in der Transport- und Logistikbranche sowie in Anlehnung an die Verordnung über die Berufsausbildung zum Kaufmann / zur Kauffrau für Spedition und Logistikdienstleistung erarbeitet. Die Aufgaben sind so konzipiert, dass sie größtenteils individuell oder in Gruppen erarbeitet werden können. Wir setzen somit auf selbstbestimmtes Lernen und Teamarbeit.

Warum ist es wichtig, das Ausbildungspersonal mit ins Boot zu holen und Ausbilder gezielt in der Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit zu schulen? 

Eine gute Berufsbildung braucht kompetentes und engagiertes Personal. Die Berufspädagogik integriert technische, wirtschafts-, sozial- und erziehungswissenschaftliche Disziplinen. So bereitet sie einerseits auf die fachbezogene Seite der Lehrtätigkeit vor, andererseits ermöglicht sie die systematische Aufarbeitung der praktischen Ausbildungsteile. Indem Lehrkräfte und Ausbilder "Fachleute" und "Pädagogen" in einem sind, können sie Auszubildenden ermöglichen, komplexe berufliche Situationen zu bewältigen. Nachhaltigkeitsorientierte (berufliche) Handlungen zeichnen sich grundsätzlich durch widersprüchliche Handlungsentscheidungen aus. In der betrieblichen Praxis führt dies häufig zu Situationen, in denen Entscheidungen zwischen zwei gegensätzlichen gleichwertigen Alternativen getroffen werden müssen, die beide wünschenswert sind, aber nicht zur gleichen Zeit realisiert werden können. Die Idee unseres Handbuchs ist es unter anderem, das Ausbildungspersonal so zu qualifizieren, dass sie Auszubildende in der Auseinandersetzung mit diesen Fragen unterstützen und begleiten können.

Zusammenarbeit mit Auszubildenden und Ausbildern

Nicht nur im Pro-DEENLA Projekt haben Auszubildende und Ausbilder zusammengearbeitet. Die Bildstrecke zeigt die Workshops des Modellversuchs „NaReLe“.
Ziel des Projekts „NaReLe“ ist es, gemeinsam mit Unternehmen der Lebensmittelindustrie nachhaltig ausgerichtete Lernaufgaben für den Einsatz in der Berufsausbildung zur Fachkraft für Lebensmitteltechnik zu entwickeln.

Open Educational Resources - also frei verfügbarer Lerninhalte - boomen. Auch Sie stellen Ihre Module online zur freien Verfügung. Wie sind Ihre Erfahrungen und warum war Ihnen das wichtig?

Ein wichtiges Ziel unseres Projekts war es, dass (mit öffentlichen Geldern) erarbeitete Dinge in Nachhinein auch barrierefrei genutzt werden können. Daneben besteht die grundsätzliche Transferstrategie von Pro-DEENLA darin, dass die OER-Lernmodule jeweils aus zwei Teilen (Version für Ausbilder*innen und Version für Auszubildende) bestehen und so konzipiert sind, dass sie unabhängig von der Begleitung durch Pro-DEENLA in den Betrieben eingesetzt werden können. Von daher eignen sich alle Pro-DEENLA-Lernaufgaben sowohl für die temporale Verstetigung in der Berufsbildungspraxis der Partnerbetriebe als auch für den Einsatz in anderen Betrieben der Transport- und Logistikbranche. Unser Handbuch wurde in Deutschland gezielt verbreitet, über Verbände und Fachzeitschriften sowie Bildungsplattformen.

In Ihrem Handbuch finden sich auch englischsprachige Module, die international genutzt werden können. Warum haben Sie auch englischsprachige Module entwickelt?

Nachhaltigkeit ist eine globale Herausforderung und gewinnt auch auf internationaler Ebene in der Berufsbildung zunehmend an Bedeutung. Immer mehr Länder möchten nachhaltiges Denken und Handeln in die berufliche Ausbildung bringen. Die Nachfrage nach so genannten „Green Skills“ steigt also.

Unser einführendes Modul „Nachhaltige Entwicklung“ ist bereits auf Englisch verfügbar. Die Ergebnisse von Pro-DEENLA können damit auch in der internationalen Berufsbildungszusammenarbeit zum Einsatz kommen. Und das kamen sie auch bereits: Zum einen im Rahmen des BILT-Workshops zum Thema „Nachhaltigkeit in der Berufsbildung“, bei dem im Oktober 2019 neun Institutionen aus acht europäischen Ländern innovative Praktiken und Initiativen präsentierten. Zum anderen haben wir Pro-DEENLA in diesem Jahr auf der virtuellen Konferenz von UNESCO-UNEVOC zum Thema „New Qualifications and Competencies in TVET“ vorgestellt.

Mehr über BILT

Die UNESCO-UNEVOC Konferenz „New Qualifications and Competencies in TVET“ fand vom 1. bis 12. Juni 2020 statt und ist Teil des BILT-Projekts. Mit dem BILT-Projekt geben das Internationale Zentrum für Berufsbildung der UNESCO (UNESCO-UNEVOC) und das BIBB neue Anstöße für das europäische Cluster des UNEVOC-Netzwerks. Vor dem Hintergrund technologischer, umweltbedingter und sozialer Wandlungsprozesse in der Arbeitswelt bietet BILT Gelegenheit zum Peer Learning zu aktuellen Herausforderungen in der Berufsbildung. So entsteht ein aktives europäisches UNEVOC-Cluster, das im ‚Bridging‘-Austausch mit afrikanischen und asiatischen Partnerinstitutionen steht.

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