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COVID-19 und Berufsbildung: GOVET im Austausch mit Ghana und Russland

Wie funktioniert Ausbildung unter Pandemiebedingungen? Welche Strategien haben sich Länder überlegt, um Lernlücken zu schließen? Wie wirkt sich die Pandemie auf Berufsorientierung aus? GOVET diskutierte mit Expert*innen aus Ghana und Russland und Deutschland über künftige Ansätze und Best Practises.

In den vergangenen Monaten hat sich GOVET in bilateralen virtuellen Workshops mit Expert*innen aus insgesamt sechs Partnerländern zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie ausgetauscht. Neben den direkten Auswirkungen des Virus auf die Bildungs- und Ausbildungssysteme und den Arbeitsmarkt ging es auch um die Chancen. Die hierbei vorgestellte Bandbreite an Expertise, Forschung, neuen Methoden und Ansätzen war beeindruckend. Die beiden Workshops mit Ghana und Russland bildeten den Abschluss der Veranstaltungsreihe von GOVET.

Am 8. April diskutierten rund 40 Teilnehmende im virtuellen Raum unter Beteiligung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), der Commission for Technical and Vocational Education and Training (CTVET), GOVET und weiteren Akteuren.

Dr. Fred Asamoah, Acting Director General der Commission for TVET, stellte eindrucksvoll die Auswirkungen der mehr als halbjährigen Schließung von Schulen und Berufsbildungsinstituten vor. Während die Lehrer*innen bemüht waren auf unterschiedlichsten Wegen die Kommunikation mit den Schüler*innen und eine Form des Unterrichts aufrecht zu erhalten, stellte er fest, dass dennoch viele Schüler*innen kaum erreicht wurden. Auch die aktuelle Situation stelle viele Berufsbildungsinstitute vor Herausforderungen: auf Grund der geltenden Hygiene- und Abstandsvorschriften wurde die Klassengröße reduziert, jedoch seien Klassen mit 30-50 Teilnehmer*innen noch immer die Norm. Eine Umstellung erfordere nicht nur zusätzliche personelle Kapazitäten, sondern setze die gesamten organisatorischen und finanziellen Abläufe an den Instituten unter Druck.

Dr. Christina Boateng, Professorin an der University of Cape Coast (UCC), stellte ein Projekt vor, das die UCC gemeinsam mit UNESCO-UNEVOC zum Aufbau digitaler Kompetenzen bei Lehrpersonal durchführt. Sie erläuterte, dass häufig die fehlende Verfügbarkeit von Internet und geeigneten Endgeräten oder zu hohe Kosten eine Herausforderung für digitalen Unterricht darstellten. Das vorgestellte Projekt setzte an der Etablierung von Mastertrainer*innen für jede Region an, die ein Set an digitalen Grundkompetenzen in den Trainings erhalten und in ihren Regionen weitertragen.

Ghana: Die Referent*innen im Überblick

Dr. Fred Asamoah, Commission for TVET, und Dr. Tobias Maier, BIBB, referierten zu den Auswirkungen von COVID-19 auf den Arbeitsmarkt und die berufliche Bildung in Ghana und Deutschland.

Dr. Simon Marzoll, BIBB, berichtete von den Auswirkungen von COVID-19 auf Berufsbildungsanbieter und -programme.

Dr. Christina Boateng, University of Cape Coast (UCC) und Michael Härtel, BIBB, stellten digitale Lernkonzepte vor. Michael Härtel präsentierte das Projekt MIKA (Medien- und IT-Kompetenz für Ausbildungspersonal).

Digitale Kompetenzen von Ausbilder*innen und Schüler*innen waren auch im Workshop mit den russischen Partnerorganisationen NARK und FIRO am 12. April ein wichtiges Thema. Die etwa 30 Teilnehmer*innen diskutierten rege zu Vorträgen von Professor Vladimir Blinov, Direktor des Forschungszentrums für berufliche Bildung und Qualifikationssysteme an der FIRO RANEPA. Er ist der Begründer der digitalen Didaktik in der beruflichen Bildung in Russland. In seinem Vortrag machte er deutlich, dass pädagogische Inhalte im herkömmlichen Sinne nicht mit hybriden Modellen in allen Berufen zu bedienen seien. Sehr schnell wurde mit der Ausbreitung der Pandemie offensichtlich, dass die Qualität der Ausbildungsinhalt durch den Mangel an Materialien, die für die Auszubildenden im Homeschooling gelitten habe. Die Lehrkräfte hätten zwar schnell reagiert, aber auch deren Arbeitsalltag ändere sich maßgeblich. Die Medienkompetenz bei den Ausbildenden, Auszubildenden und Eltern reiche bei weitem noch nicht aus. Die Schere der sozialen Ungleichheit in der Föderation habe sich weiter geöffnet, so Blinov.

In eine ähnliche Richtung argumentierte Dr. Igor Sergejew, einer der leitende Forscher des FIRO. Sein Forschungsschwerpunkt ist die berufliche Orientierung und Berufsfindung junger Menschen. Er ist zudem Leiter des Netzwerks der Versuchsfelder "Digitale Didaktik der beruflichen Bildung". Dr. Igor Sergejew stellte die schnelle Verfügbarkeit von Lern- und Lehrmaterialen in verschiedenen Berufsfeldern heraus und beschrieb das neue Dreieck – Digitale Helfer – Pädagog*in – Auszubildender. Ein zentrales Projekt der Berufsorientierung ist „Zukunftsticket“. Hierbei haben Schülerinnen und Schüler aus den sechsten bis elften Klassen 90 Minuten Zeit, in einer kleinen Gruppe Berufe kennenzulernen.  In 103 Berufen/Qualifikationen können Schülerinnen und Schüler eine Kompetenz auswählen, an drei Webinaren teilnehmen, eigenständig ein Video erstellen, dieses hochladen und dann eine qualifizierte Rückmeldung zu erhalten. Ein Problem bleibt weiterhin eine Verbesserung des Matchings der Erwartungen der potentiellen Auszubildenden und der Ausbildungsbetriebe bzw. des Arbeitsmarktes, erklärte Dr. Igor Sergejew.

Die Entwicklung von Instrumenten der digitalen Didaktik ist auch in der Weiterbildung von zentraler Bedeutung wie Frau Dr. Natalia Lomovtseva, Direktorin des Instituts für Lebenslanges Lernen an der Russischen Staatlichen Professionellen Pädagogischen Universität in Jekaterinburg beschrieb. Dies reiche von der Etablierung von Chatbots, Mikro Lerneinheiten, Simulation bis hin zum Einsatz von Virtueller und Augmented Reality.

Im Fokus des Vortrags von Dr. Oksana Sidorenko, der stellvertretenden Direktorin an der Pädagogischen Hochschule Chita in der Region Irkutsk, stand das Berufsbildungspersonal. Bereits vor der Pandemie war die Mediendidaktik weit entwickelt. Dr. Oksana Sidorenko leitet das Projekt "Center for Pedagogical Transformation". In ihrem Vortrag stellte sie das Modell der vernetzten Bildungskommunikation vor, das einen reibungslosen und flexiblen Übergang zum Fernunterricht während der Pandemie ermöglichte. Nach der Analyse der Defizite in diesem Bereich wurden verschiedenste Kompetenzen des Berufsbildungspersonals gestärkt, wie die fachgerechte und sichere Handhabung digitaler Mobil- und Endgeräte, die Erstellung digitaler Inhalte und auch die Qualitätssicherung virtueller Prüfungen. So würden die Expert*innen zu „Pionier*innen“ und „Techoptimist*innen“, betonte sie.

Deutsche Expert*innen aus dem BMBF und BIBB berichteten in beiden Workshops, dass die Corona-Krise es vielen Ausbildungsbetrieben erschwere, weiterhin junge Menschen als Fachkräfte von morgen auszubilden. Sie präsentierten zudem bestehende Methoden der Berufsberatung und erläuterten, wie diese in den Monaten der Pandemie angepasst wurden. Denn in Zeiten von Kontaktbeschränkungen ist es noch schwerer, arbeitslose Jugendliche zu aktivieren und den Übergang von der Schule in Ausbildung oder Beruf zu sichern. Zudem wurde das MIKA-Projekt vorgestellt, das die digitalen Kompetenzen von Trainern erhöhen soll. In dem vom BMBF geförderten Projekt werden mit sechs Praxispartnern aus Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern und einem Bildungsträger Seminarkonzepte zur Medien- und IT-Kompetenz von Ausbildungspersonal entwickelt und erprobt.

Russland: Die Referent*innen im Überblick

Professor Vladimir Blinov, FIRO RANEPA, und Dr. Tobias Maier, BIBB, referierten zu den Auswirkungen von COVID-19 auf den Arbeitsmarkt und die berufliche Bildung in Russland und Deutschland.

Dr. Igor Sergejew, FIRO und Dr. Verónica Fernández, BIBB, berichteten von den Auswirkungen der Pandemie auf die berufliche Orientierung in Russland und Deutschland.

Dr. Natalia Lomovtseva, Staatliche Professionelle Pädagogische Universität in Jekaterinburg, stellte die Entwicklung von digitalen Lerninstrumenten in der russischen Weiterbildung dar. Dr. Oksana Sidorenko, Pädagogische Hochschule Chita in der Region Irkutsk, und Michael Härtel, BIBB, befassten sich in ihren Vorträgen mit den digitalen Kompetenzen von Berufsbildungspersonal.