Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen in Deutschland und Russland
Rund 100 Teilnehmende waren beim GOVET-Workshop zum Thema „Anerkennung von Qualifikationen“ online. Aus dem Arbeitsbereich „Anerkennung von ausländischen Berufsqualifikationen“ im BIBB berichteten Expert*innen aus der Praxis, zu den Rahmenbedingungen und der Empirie.
Deutschland und Russland kooperieren seit fast zehn Jahren in der Berufsbildung. Fast genauso lange begleitet GOVET die Kooperation im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Gemeinsam mit der russischen Partnerorganisation NARK (Nationale Agentur für Qualifikationen) führte GOVET im Auftrag des BMBF bereits mehrere so genannte Demonstrationsprüfungen durch, beispielsweise im Friseurhandwerk und im Bereich Kfz-Mechatronik. Bei diesen Demonstrationsprüfungen absolvierten russische Auszubildende deutsche Prüfungen und umgekehrt, um das Ausbildungsniveau und die Qualität der Prüfungen zu vergleichen. In diesen Projekten wurde deutlich, dass dank der Reformen in Russland, insbesondere die Einführung unabhängiger Prüfungen und landesweiter Berufsstandards, die Kompetenzen und Fertigkeiten von deutschen und russischen Auszubildenden und Ausbildenden nicht weit auseinanderliegen.
Am 20. Mai organisierten GOVET und der Arbeitsbereich „Anerkennung von ausländischen Berufsqualifikationen“ im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) auf Nachfrage der NARK einen Online-Expert*innen-Workshop zum Thema „Anerkennung von Qualifikationen“. Während des rund zweistündigen Workshop mit 100 Teilnehmer*innen ging es um folgende Fragen: Wie wurde die Anerkennung von Qualifikationen im nicht-akademischen Bereich systemisch in Deutschland aufgesetzt? Welche Instrumente wurden entwickelt und welche Ergebnisse liegen gerade aus dem russischen Raum vor? Wie verhält es sich mit dem Thema in Russland?
Die deutschen Beiträge zielten auf eine umfassende Darstellung der Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen im Bereich der dualen Aus- und Fortbildungsberufe ab: In einem einleitenden Vortrag skizzierte Alexander Studthoff aus dem BIBB die Regelungen des Anerkennungsgesetzes in Deutschland und präsentierte die Statistiken zur Anerkennung russischer Berufsqualifikationen. Hierbei fiel die relativ starke Präsenz von Berufen aus dem Bereich der dualen Berufsausbildung auf. Im Anschluss stellten Maria Garb und Olesia Schmetzer vom BQ-Portal die Anerkennungsverfahren im Bereich von Handwerk sowie Industrie und Handel vor. Hierbei wurde die wichtige Rolle des BQ-Portals insbesondere für die Handwerkskammern deutlich: Informationen zu Berufsbildungssystemen und Ausbildungsordnungen sowie Lehrplänen aus zahlreichen Staaten unterstützen die Kammern in den Anerkennungsverfahren. Der Bedarf nach entsprechenden Informationen stieß bei den anwesenden Teilnehmer*innen aus Russland auf offene Ohren – erste Kontakte mit dem BQ-Portal wurden direkt geknüpft.
Schließlich berichteten jeweils eine zuständige Stelle für die Anerkennung im Handwerk sowie Industrie und Handel aus Ihrer Arbeit. Angela Trumheller erläuterte die zentrale Rolle der IHK Foreign Skills Approval für die Anerkennung im Bereich von Industrie und Handel sowie typische Erfahrungswerte mit russischen Qualifikationen. Elisa Ordonio und Simone Uhrmeister-Jammer berichteten von der Rolle der Handwerkskammer der Pfalz als Leitkammer für russische Berufsqualifikationen im Handwerk und illustrierten die Bedeutung von Anpassungsqualifizierung und Qualifikationsanalyse im Anerkennungsverfahren. Fazit: Die Anerkennung in Deutschland erfolgt als Einzelfallprüfung und hängt von den zur Verfügung stehenden Informationen über die jeweilige ausländische Berufsausbildung ab.
Nach einem Vortrag der stellvertretenden Direktorin der NARK, Prof. Alla Faktorovitch, zur rechtlichen Lage der Anerkennung von Qualifikationen legten die russischen Kolleg*innen die Wichtigkeit der Fachkräfteeinwanderung besonders im Bereich „Schweißen“ auf den Großbaustellen (Kupferabbau in Sibirien, nördlicher Seehafen in Murmansk oder Gasförderung in Khabarovsk) in der Russischen Föderation dar. Hier arbeitet Russland vor allem mit der Türkei, Indien und China zusammen. Im Verlauf des Workshops wurde klar, dass der Trend in Russland weg von den staatlichen Diplomen hin zur gegenseitigen Zertifizierung von Qualifikationen geht, und dass hierfür ein Abgleich der wichtigsten Dokumente von Nöten ist.
Zum Schluss wurde noch der Bogen zur Internationalen Migration Organisation (IOM) nach Genf geschlagen. Der dortige Experte, Vassiliy Yuzhanin, Head of Labour and Human Mobility Facilitation Unit, stellte das Global Skills Project „Auf dem Weg zur nachhaltigen Integration von Kompetenzen in die Migrationssteuerung" vor. Es startete im Januar 2021 und soll zu einer effektiven Zusammenarbeit und Steuerung der qualifikationsbasierten Arbeitsmobilität zum Nutzen der Herkunfts- und Zielländer führen. Wichtig ist hier neben dem interregionalen und multilateralen Dialog das Verständnis zum Schutz und der Rechte von Arbeitsmigrant*innen sowie die Anerkennung und der Nachweis von Qualifikationen.
Die Diskutant*innen des Online-Workshops waren sich am Ende des Tages einig, dass der Austausch von Ausbildungsordnungen und einschlägigen Dokumenten zur Anerkennung wichtig ist und dieser möglichst schnell erfolgen soll. Zudem wird eine Expert*innenrunde das Thema frei weiterdiskutieren, nachdem nun die Rahmenbedingungen innerhalb des Workshops für beide Länder dargestellt wurden.