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Marokko: Ausbildungsordnungen als Rahmen für arbeitsmarktnahe Ausbildung

Der virtuelle Delegationsbesuch einer Gruppe aus Marokko stand unter dem Motto „Ausbildungsordnungen und wie sie entstehen“. Vom 29. Juni bis 1. Juli stellten Expert*innen aus Forschung und Praxis die Entwicklung, Durchführung und Evaluierung von Ausbildungsberufen in Deutschland vor.

Trotz positiver wirtschaftlicher Entwicklungen im Land hat Marokko mit einer hohen Jugendarbeitslosigkeit zu kämpfen. Es gibt zu wenige Jobs für junge Menschen, gleichzeitig klagen Unternehmen über einen Mangel an qualifizierten Fachkräften. Das liegt unter anderem auch an dem Berufsbildungssystem in Marokko, welches nicht ausreichend auf die Anforderungen der Wirtschaft ausgerichtet ist. Die Berufsbildung findet in Marokko derzeit fast ausschließlich in den Berufsschulen statt. Praxiserfahrungen erlangen die Jugendlichen lediglich über kurze Praktika in Unternehmen. Mit dem Vorhaben „TAMHEEN“ unterstützt die GIZ die Umsetzung der nationalen Strategie der beruflichen Bildung 2021. Ziel ist es, die Qualität der kooperativen Berufsbildung in Marokko durch die Einrichtung eines öffentlich-privaten Dialogs zu verbessern. Dadurch soll die Beteiligung der Privatwirtschaft in allen Bereichen des Berufsbildungssystems (Entwicklung, Durchführung und Evaluierung) gestärkt werden.

Im dualen Berufsbildungssystem in Deutschland ist die Privatwirtschaft in alle Prozesse eingebunden und wirkt aktiv an der Entwicklung, Umsetzung und Evaluierung von Ausbildungsordnungen mit. GOVET organisierte daher gemeinsam mit der GIZ einen dreitägigen virtuellen Delegationsbesuch für  Vertreter*innen der Privatwirtschaft sowie von staatlichen Akteuren und Berufsschulen in Marokko. Unter dem Motto „Ausbildungsordnungen und wie sie entstehen“ lud GOVET Expert*innen aus der Forschung und Praxis ein, die ihre Erfahrungen aus Deutschland teilten. Ein Fokus lag hierbei auf den Logistikberufen, da diese in Marokko kürzlich neu geordnet wurden und somit einen guten Praxisbezug darstellten.

Experteninput aus Deutschland

Ausbildungsalltag im Marokko: eine Auszubildende zur Fachlagerist*in arbeitet in ihrem Betrieb.

Der erste Tag des virtuellen Delegationsbesuchs diente dazu, den Teilnehmenden zunächst einen ersten Einblick in die duale Berufsbildung in Deutschland zu geben. Peter Rechmann, stellvertretender Leiter von GOVET stellte hierfür das duale Berufsbildungssystem sowie die verschiedenen Akteure der deutschen Berufsbildung vor. Anschließend erhielten die Teilnehmenden Einblicke in die Logistikbranche, sowohl aus der Perspektive der Forschung, eines Unternehmens und einer Berufsschule.

Dr. Anke Kock ist im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) unter anderen für die Logistikberufe zuständig. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind die Ordnung der Aus- und Fortbildungsberufe in den Branchen Verkehr und Logistik. Dr. Kock stellte in ihrem Vortrag nicht nur die unterschiedlichen Ausbildungsberufe im Bereich Logistik vor, sie schilderte auch den Ablauf eines Neuordnungsverfahrens unter Einbeziehung der Sozialpartner.

Wie eine Ausbildung in der Logistikbranche innerhalb eines Unternehmens verläuft, erfuhren die Teilnehmer*innen anschließend von Gabriele Schwarz, die für die Logistikausbildungen in der Firma Wackler Spedition & Logistik zuständig ist und erklärte, wie die Ausbildungsordnungen konkret im Unternehmen umgesetzt werden.

Vom Lernort Betrieb ging es direkt weiter zum Lernort Schule. Dr. Hannelore Kress, GOVET, hatte die Möglichkeit, ein Interview mit Dr. Jutta Wittig, Abteilungsleiterin im Oberstufenzentrum für Logistics, Tourism and Steuern (OSZ Lotis), das in Form eine Videoaufzeichnung gezeigt wurde, zu führen. Gerade in Zeiten von Corona müssen Berufsschulen extrem flexibel auf die Bedarfe und den Bildungsstand der Schüler*innen achten und viele ehrenamtliche Stunden investieren, um niemanden zu verlieren. Eine Herausforderung der Berufsschulen ist auch, dass sie mit den technologischen Fortschritten der Privatwirtschaft Schritt halten müssen.

Generell ist eine enge Kooperation zwischen den beiden Lernorten wichtig, nicht nur für die erfolgreiche Umsetzung der Ausbildungsordnungen, sondern auch für den individuellen Erfolg der Auszubildenden. Wie gelingt die Kooperation mit teilweise völlig unterschiedlichen Unternehmen und wie können Rahmenlehrpläne bestmöglich an Ausbildungsordnungen angepasst werden? Hierzu diskutierten Phillip Reiter und Carsten Kossack vom Staatliches Berufsschulzentrum Freising mit Dr. Hannelore Kress am zweiten Tag des Delegationsbesuchs.

Zuvor bot BIBB Experte Markus Bretschneider einen detaillierten Blick in deutsche Ausbildungsordnungen und erklärte, welche Inhalte dort festgeschrieben werden. Besonders ging er auch auf Neuordnungsverfahren ein, die in Deutschland in deutlich schlankerer Form stattfinden, als in Marokko. Das BIBB unterstützt hierbei durch Studien, die insbesondere die betriebliche Wirklichkeit in der zu ordnenden Berufen so breit wie möglich abdecken soll.

Am dritten Tag des Delegationsbesuchs beschäftigte sich die Gruppe mit dem letzten Schritt einer Ausbildung – die Prüfung. Die Entwicklung und Durchführung von Prüfungen stellte Andreas Bähre, Leiter der Aufgabenerstellungseinrichtung ZPA Nord-West, unter dem Motto „Wer ausbildet, prüft nicht“ vor. Auch er betonte die Wichtigkeit der Einbindung von Sozialpartnern in den gesamten Prozess.

Doch auch die Teilnehmer*innen aus Marokko wurden aktiv in die Veranstaltung eingebunden. In Arbeitsgruppen diskutierten sie aktuelle Fragestellungen in marokkanischen Berufsbildung: Wer ist in Marokko an der Entwicklung von Ausbildungen beteiligt? Welche Akteure müssen noch eingebunden werden? Welche Kompetenzen sind für eine fertige Fachkraft erforderlich, um den Anforderungen des Arbeitsmarktes zu genügen? Welche Hürden und Herausforderungen kommen im Alltag auf die beteiligten Akteure zu? Außerdem erarbeiteten die Teilnehmenden in zwei Gruppen jeweils einen Projektplan für die Einführung einer neuen dualen Logistikausbildung und deren Finanzierung. In einer abschließenden Diskussion wurde noch einmal herausgestellt, dass es wichtig ist, mit den Ausbildungsordnungen die Bedarfe des Arbeitsmarktes zu abzudecken. Die Einbindung der Privatwirtschaft in die Entwicklung, Durchführung und Evaluierung von Berufen ist dabei von großer Bedeutung, genauso wie die enge Kooperation zwischen den zwei Lernorten.