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Der erste Schritt auf der Karriereleiter: Berufsbildung in den USA und in Deutschland

„Wenn du nicht aufs College gehst, hast du keine Zukunft“? Über alternative Berufsbildungsmodelle und –wege tauschten sich im hochrangig besetzten Webinar des Urban Institutes und der „Skills Initiative“ der Deutschen Botschaft Fachleute und Auszubildende in den USA und Deutschland aus.

Das Modell einer dualen Ausbildung entwickelt sich in den USA seit Jahren über wechselnde Administrationen hinaus weiter. Beim Aufbau von dualen Strukturen unterstützen auf Nachfrage der US-amerikanischen Partner das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), das Auswärtige Amt (AA) und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (BMWK) mit den insgesamt fünf Auslandshandelskammern in den USA. GOVET im BIBB berät fachlich verschiedene Stakeholder und tauscht sich thematisch über die neuesten Entwicklungen mit ihnen in der Berufsbildung aus.

Am 25. Februar fand auf Initiative der amerikanischen Denkfabrik Urban Institute und der „Skills Initiative“ der Deutschen Botschaft in Zusammenarbeit mit der Nichtregierungsorganisation (NGO) DIAG USA ein Webinar zum Thema „Weiterentwicklung von Modellen der beruflichen Bildung“ statt.

Elke Büdenbender, engagierte First Lady der Bundesrepublik und selbst ausgebildete Industriekauffrau, teilte ihre persönlichen Erfahrungen mit den Auszubildenden und unterhielt sich unter anderem mit Timo Oßwald, Mechatronik Azubi bei Festo SE & Co. KG. Wie wegweisend frühzeitige Berufsorientierungs- und Berufsvorbereitungsangebote für die berufliche Biographie sein können, wurde am Beispiel der jungen, technikinteressierten Jordan Pounds sichtbar: Selbst Auszubildende bei Blum Inc. wurde ihr Talent für die Lösung technischer Probleme durch den praxisorientierten Unterricht an ihrer High School erkannt, wodurch sie sich bewusst für eine Mechatronik-Ausbildung entscheiden konnte. Heute besucht sie Schulen, um als Vorbild für junge Frauen in South Carolina über diese Entscheidung zu berichten und andere zu ermutigen, ebenfalls zunächst eine Ausbildung zu machen.

Berufsausbildung als Alternative zum College

In der anschließenden Paneldiskussion schilderte Natalie Palugyai, Ministerin für Arbeit und Arbeitskräfteentwicklung im Bundesstaat Kalifornien ihren Kampf gegen das Stereotyp „Wenn du nicht aufs College gehst, hast du keine Zukunft“. Es sei sehr schwierig, diese Denkmuster zu durchdringen – trotz der so positiven Botschaft „eine Ausbildung ohne Verschuldung zu machen“. Die derzeitige Studierendenkreditverschuldung in den USA beträgt rund 1,75 Billionen US-Dollar, die von circa 45 Millionen Amerikaner*innen abgetragen werden müssen. Die durchschnittliche Rate für ein Studierendendarlehen beläuft sich monatlich auf rund 393 US-Dollar*. Ministerin Palugyai möchte die duale Ausbildung als Option systemisch in Kalifornien verankern. IBBZ-Expertin Dr. Hannelore Kress von GOVET berichtete hierzu, dass in Ländern wie der Slowakei oder Lettland auf Druck der Wirtschaft diese grundsätzliche, gesetzliche und systemische Einbettung einer betrieblichen Ausbildung als Option eines Bildungsweges durchaus mittelfristig zu erzielen sei. Sie führte weiter aus, dass das deutsche duale System allerdings kein Selbstläufer sei; es müsse sich fortwährend wirtschaftlichen und globalen Herausforderungen wie den Anforderungen des Klimawandels und aktuell der Pandemie stellen. Gerade kleine Unternehmen müssten immer wieder ermutigt werden, ihre zukünftigen Arbeitskräfte selbst auszubilden.

Joshua Johnson, Direktor der NGO Jobs for the Future bestätigte, dass sowohl Unternehmen als auch insbesondere Jugendliche direkt und unkompliziert über diese Bildungswege informiert werden müssen und verwies auf seine Erfahrungen während eines Besuches in Deutschland zusammen mit dem DGB und GOVET; hier sei ihm vor Augen geführt worden, wie wichtig das Verhältnis Ausbilder*in, Azubi, Schule und Betrieb für stabile, wachsende und wohlhabende Gemeinden ist. Elke Büdenbender betonte an dieser Stelle nochmals die prägende Erfahrung, den beruflichen Weg als Jugendliche*r, egal aus welchem sozialen Kontext, mit einer Ausbildung anzufangen. Wichtig sei dabei eine hochwertige Ausbildung und die frühe Förderung der Talente zum individuellen und gesellschaftlichen Vorteil.

Beim Webinar waren rund 500 Interessierte online dabei, die sich sehr aktiv mit vielen Fragen beteiligten.

Hintergrund zur Ausbildung in den USA

In den USA gilt die sogenannte Lehrlingsausbildung als flexibles Modell, das an die Bedürfnisse von Unternehmen in verschiedenen Branchen in den USA bereits praxisorientiert angepasst werden kann, wie z.B. Informationstechnologie, Gesundheitswesen, Gastgewerbe, Cybersecurity, Bauwesen, Energie, Spezialmaschinenbau, Ingenieurwesen, Transport und Finanzdienstleistungen.  Nach Angaben des Arbeitsministeriums werden 94 Prozent der Auszubildenden, die eine berufliche Ausbildung absolvieren, eine Beschäftigung finden, mit einem durchschnittlichen Gehalt von rund 70.000 Dollar. Einzelne Unternehmen des Auslandshandelskammer-Netzwerkes in den USA beteiligen sich aktiv an der Einführung dualer Ausbildungsstrukturen. Seit 2014 haben sich insgesamt circa 60 internationale und deutsche Unternehmen in den USA dem Industry Consortium for Advanced Technical Training (ICATT)-Netzwerk angeschlossen. Das Michigan Advanced Technician Training Program (MAT2) bietet eine Ausbildung in den Bereichen Mechatronik, Zerspanung, technisches Produktdesign und IT nach deutschem Standard.

*Student Loan Debt Statistics In 2021: A Record $1.7 Trillion (www.forbes.com, Stand 24.03.2022)

Sprecher*innen im Webinar

  • Elke Büdenbender, „First Lady“ der Bundesrepublik Deutschland
  • Diana Elliott, Senior Fellow, Urban Institute Washington DC
  • Miriam Farnbauer, Projektleiterin bei DIAG, Skills Initiative
  • Joshua Johnson, Direktor, Jobs for the Future
  • Dr. Hannelore Kress, Senior Technical Adviser, Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)
  • Timo Oßwald, Auszubildender, Festo SE & Co. KG
  • Natalie Palugyai, Secretary of California Labor and Workforce Development Agency
  • Jordan Pounds, Auszubildende, Blum Inc.
  • Stefan Schneider, Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Los Angeles