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Zum Mehrwert des dualen Systems – virtueller Austausch mit Ghana

20.04.2022

Wie funktioniert ein duales Ausbildungssystem? Welche Mechanismen kommen zum Einsatz? Und: Welche Überlegungen stehen hinter dem Engagement von Unternehmen in der dualen Ausbildung? Im virtuellen Austausch mit Branchenvertretenden aus Ghana kamen die Kernfragen zum dualen System auf den Tisch.

Um die Aufgaben in einem Berufsbildungssystem zu leisten – etwa im Rahmen der Prüfung oder Qualitätssicherung – müssen eigene Mechanismen und Prozesse für jedes System entwickelt werden. Das stellte Peter Rechmann, stellvertretender Leiter von GOVET, bei seiner Präsentation des dualen Systems in Deutschland heraus. GOVET und die Commission for TVET (CTVET) hatten Ende März Vertreter*innen der Sector Skills Bodies (SSB) – von CTVET eingesetzte, sektorale Expert*innengremien –  zu einem Online-Termin eingeladen, um über die Strukturen der dualen Ausbildung zu informieren. CTVET plant, ein duales Ausbildungssystem mit hoher Unternehmensbeteiligung in Ghana aufzubauen. Gleich zu Beginn der Überlegungen, wie dieses System aufgebaut werden könnte, hatte CTVET den Kontakt mit den SSB gesucht, um die Bedarfe der darin vereinten Unternehmen zu sondieren. Im ersten Schritt konnten nun im virtuellen Austausch grundsätzliche Fragen zum dualen System angesprochen und erläutert werden.

Peter Rechmann involvierte die anwesenden Akteure und deren Rollen und Verantwortlichkeiten in die Thematik, insbesondere mit einem Einblick in die Kosten- & Nutzenbetrachtung der Unternehmen. In manchen Berufen sind Auszubildende so gut im Produktionsprozess eingebunden, dass sie schon während der Ausbildung zur Wertschöpfungskette im Unternehmen beitragen können. Für die meisten Unternehmen sind aber Aspekte wie die frühzeitige Bindung von künftigen Fachkräften die wichtigeren Argumente.

Das familiengeführte Unternehmen Scheidt & Bachmann bildet in mehreren Ausbildungsberufen und Duale Studiengängen aus und erhält regelmäßig Auszeichnungen für sein Engagement.

Dies wurde im zweiten Teil der Veranstaltung auch von Heinz-Josef Eßer bekräftig, Leiter der technischen Ausbildung beim Mönchengladbacher Unternehmen Scheidt & Bachmann. Das Familienunternehmen ist u.a. im Bereich der Park- und Leitsysteme tätig und weltweit aktiv. Von den etwa 3.000 Mitarbeitenden sind über 100 junge Menschen in Ausbildung. Das Unternehmen macht sich stark für die Ausbildung in der Region und hat bereits mehrfach Auszeichnungen als Ausbildungsbetrieb erhalten. Hier ausgebildete Elektroniker*innen wurden schon als die besten in ganz Deutschland prämiert. Auch kaufmännische Berufe wie Industriekaufleute oder Fachinformatiker*in gehören zum Ausbildungsangebot des Unternehmens.

Im Gespräch mit Julia Olesen, Projektleiterin für die bilaterale Kooperation mit Ghana bei GOVET, stellte Herr Eßer heraus, dass das Engagement in der Ausbildung seit jeher zum Selbstverständnis seines Betriebs gehört. Dies liege aber nicht nur in der gesellschaftlichen und sozialen Verpflichtung begründet, sondern diene auch zur Fachkräftegewinnung und damit der Sicherung des wichtigsten Gutes eines Unternehmens: den Mitarbeitenden. Er berichtete, dass ein Teil der Auszubildenden nach der Ausbildung zunächst das Unternehmen verlässt und sich auf unterschiedlichen Wegen, z. B. in einem Studium, weiterbildet. Von ihnen kehren jedoch später 30 % wieder ins Unternehmen zurück.

Durch die erfolgreiche Bindung ans Unternehmen konnten wir innerhalb von 40 Jahren technischer Ausbildung 380 der insgesamt 1.000 Auszubildenden im Unternehmen halten.

Heinz-Josef Eßer, Leiter der technischen Ausbildung bei Scheidt & Bachmann

Die Teilnehmenden der SSB waren aus unterschiedlichen Sektoren vertreten: Tourismus, Erneuerbare Energien, Bau, Automobilproduktion, Textilherstellung und Landwirtschaft. Die Delegation der deutschen Wirtschaft in Ghana (AHK), Vertreter*innen der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der internationalen Arbeitnehmerorganisation ILO nahmen ebenfalls am Austausch teil. Die Frage, wo Aufgaben in Ghana angesiedelt sein sollen, die in Deutschland üblicherweise die Kammern als zuständige Stellen übernehmen, stand besonders im Vordergrund. So sind Fragen der Prüfungsorganisation aber auch der Unterstützungsangebote für ausbildende Unternehmen für ein neues ghanaisches duales System noch zu definieren.

GOVET berät die Commission for TVET seit 2019 im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).