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So war das GOVET Arbeitsjahr 2022

Im Interview mit GOVET-Leiter Dr. Ralf Hermann werden die Beratungserfolge, Herausforderungen und Themen in den Berufsbildungskooperationen des BMBF betrachtet.

2022 - Was hat die deutsche Berufsbildungszusammenarbeit mit dem Ausland in diesem Jahr beeinflusst? 

Wir erleben eine neue Intensität von Einflussfaktoren, die alle Lebens- und Politikbereiche beeinflusst, und auch die internationale Berufsbildungszusammenarbeit muss sie aufgreifen. Die großen Themen des gesellschaftlichen Wandels erfordern gemeinsame Anstrengungen in allen Bereichen, und es ist offensichtlich, dass gut ausgebildete Fachkräfte eine Schlüsselrolle für den Erfolg spielen. Dazu gehören z. B. alle Themen, die mit der Transformation zu einer nachhaltigeren Wirtschafts- und Lebensweise angesichts des Klimawandels zu tun haben, ebenso dass sich verändernde Lernen und Arbeiten im Kontext der Digitalisierung, Verschiebungen in der Weltwirtschaft, die verstärkte Beschäftigungsmobilität und auch die Nachwirkungen der Pandemie. All das erleben und gestalten wir weltweit, in Zusammenarbeit und Wettbewerb. Es ist ganz klar, dass alle Transformationen im Inland eine internationale Dimension haben – also auch ein Handlungsfeld für die Berufsbildung darstellen. Und die Erschütterung durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat 2022 alle Koordinaten verschoben.

Wie hat die Berufsbildungszusammenarbeit darauf reagiert?

Die langjährigen Kooperationsaktivitäten mit Russland wurden unmittelbar eingestellt. Jetzt geht es darum, bestehende Netzwerke mit der Ukraine zu erhalten und zugleich vorbereitet zu sein, um die Ukraine nach einem hoffentlich baldigen Ende des Krieges auch in der Berufsbildungszusammenarbeit unterstützen zu können. In einer Umfrage unter Mitgliedern des Runden Tisches erhob GOVET deshalb den Sachstand zu bisherigen Aktivitäten mit der Ukraine sowie zu Kooperationspotenzialen für den Wiederaufbau. Am Runden Tisch für internationale Berufsbildungszusammenarbeit fand die Ukraine größtes Interesse bei Ressorts und Akteuren. GOVET-Produkte wurden in die ukrainische Sprache übersetzt und online veröffentlicht, auch um die Arbeit mit Geflüchteten aus der Ukraine zu unterstützen. In Zusammenarbeit mit dem Arbeitsbereich „Europäische Zusammenarbeit und vergleichende Berufsbildungsforschung“ begleitete GOVET eine Fachveröffentlichung zum Stand der Berufsbildungsreformen in der Ukraine im BIBB Repository.

Wir beobachten auch, dass das Interesse an einer Zusammenarbeit mit Deutschland in der Berufsbildung in den Ländern Osteuropas und Zentralasiens deutlich zugenommen hat.

Dr. Ralf HermannLeiter von GOVET

Wir erleben eine neue Intensität von Einflussfaktoren, die alle Lebens- und Politikbereiche beeinflusst, und auch die internationale Berufsbildungszusammenarbeit muss sie aufgreifen. Die großen Themen des gesellschaftlichen Wandels erfordern gemeinsame Anstrengungen in allen Bereichen, und es ist offensichtlich, dass gut ausgebildete Fachkräfte eine Schlüsselrolle für den Erfolg spielen.

Sie sprachen eingangs von den großen Transformationsherausforderungen, auch für die Berufsbildungskooperation. Was hieß das konkret für die Arbeit von GOVET?

Beim BIBB Kongress im Oktober 2022 war „Green Economy“ eines der zentralen Themen, und GOVET organisierte zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Abteilungen des BIBB einen „Denkraum“ zu diesem Thema. Es wurde deutlich, dass wir in die großen Diskussionen, Strategien und Projekte hineinrufen müssen: Vergesst die Ausbildung und die Fachkräfte nicht! Denn Berufsbildung vollzieht nicht nur einfach technischen Wandel nach. Sie ist vielmehr selbst ein entscheidender Innovationsfaktor: Ohne gut ausgebildete Fachleute besteht gar nicht die Voraussetzung, um Innovation und Transformation hinzukriegen. Auch das gilt sowohl im Inland als auch international.

Auch in weiteren Austauschformaten wurde dies diskutiert. In einem bilateralen Expertinnen- und Expertenworkshop kamen im März 2022 über dreißig Teilnehmende aus Costa Rica und Deutschland zusammen, um über nachhaltige Lösungen in der Berufsbildung zu diskutieren und Erfahrungen auszutauschen. In einem Fachseminar zum Thema Nachhaltigkeit in der Beruflichen Bildung brachte GOVET gute Praxisbeispiele in den Austausch. Und im November 2022 stand die Schlüsselressource Wasser im Zentrum einer Expertenreise von Multiplikatorinnen aus Subsahara-Afrika: Was können und müssen Aus- und Weiterbildung sowie internationale Kooperation beitragen, um diese kritische Ressource gut und nachhaltig nutzen zu können?

Aufgabe von GOVET ist es auch, eine gemeinsame internationale Berufsbildungszusammenarbeit der vielen deutschen Akteure zu untersützen. Wie sehen Sie das Jahr 2022 in dieser Hinsicht?

Ganz richtig, Kohärenz, Abstimmung und Vernetzung sind unser Auftrag, der uns auch im letzten Jahr leitete. Denn die Aktivitäten im Ausland sollen sich gut aufeinander beziehen und gemeinsame Ziele unterstützen. Der regelmäßige fachliche Austausch der deutschen Akteure ist dabei natürlich entscheidend, und der von GOVET organisierte Runde Tisch ein wichtiges Instrument. Außerdem bietet unsere Geschäftsstelle „Runder Tisch“ nun – in der Post-COVID Zeit – ein breites Portfolio aus Präsenzveranstaltungen und virtuellen Formaten, um die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren zu stärken. So brachten wir in „Fachseminaren“ viele Akteure zusammen, um themenspezifisch Wissen zu teilen und sich über „best practices“ auszutauschen. Im letzten Jahr ging es um „Weiterbildung“ und um „Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung“ – stets mit Fokus auf die internationalen Berufsbildungszusammenarbeit. Und in regelmäßigen Fachdialogen schulen wir ausreisende und neue Mitarbeitende mit Zuständigkeit für die berufliche Bildung. Gerade die deutschen Auslandsvertretungen nutzen dieses Angebot häufig. 2022 hat GOVET zwanzig Fachdialoge ausgerichtet.

Wenn Sie ein Highlight in den Berufsbildungskooperation 2022 herausheben müssten, was wäre Ihr Favorit?

Dann würde ich den ersten ersten Berufsbildungsbericht Ghanas erwähnen, den GOVET mit kontinuierlicher Beratung begleitet hatte. Damit wurden erstmals in der Geschichte Ghanas systematisch Zahlen, Daten und Fakten zur Berufsbildung zusammengetragen, an denen sich bildungspolitische Entscheidungen orientieren können. Insgesamt hat sich die Kooperation mit Ghana in den letzten Jahren sehr erfolgreich entwickelt.

Wie fällt Ihr Fazit für 2022 aus GOVET Sicht aus und was erwarten Sie für 2023?

Mit den Arbeitsergebnissen des Jahres 2022 unter schwierigen Bedingungen sind mein Team und ich zufrieden. Im Jahr 2023 werden die internationalen Rahmenbedingungen unserer Arbeit schwierig bleiben.

Am 12. September 2023 blicken wir auf zehn Jahre Strategie der Bundesregierung zur Berufsbildungszusammenarbeit aus einer Hand zurück, auf deren Grundlage auch der Runde Tisch und GOVET eingerichtet wurden. Seither haben wir alle – Ressorts, Wirtschafts- und Sozialpartner, Durchführungsorganisationen der Entwicklungszusammenarbeit und Bildungseinrichtungen – eine andere Qualitität der gemeinsamen Berufsbildungskooperation mit unseren internationalen Partnern erreicht. Aber jetzt geht es darum, auch gemeinsam Antworten für die nächsten Jahre zu finden: Wie gestalten die berufliche Bildung und die internationale Kooperation die gegenwärtigen Krisen, Chancen und Herausforderungen mit, die sich von denen von vor zehn Jahren deutlich unterscheiden?