Costa-ricanische Delegation informiert sich über duale Ausbildung in Deutschland
08.09.2023
Im August besuchte eine weitere Delegation des Instituto Nacional de Aprendizaje (INA) GOVET. Unternehmensbesuche und der Austausch mit weiteren Akteuren wie Kammern und Berufsschulen standen im Fokus und führten zu vielseitigen Erkenntnissen.
Das costa-ricanische Instituto Nacional de Aprendizaje (INA; Institut für Aus- und Weiterbildung) entsandte nun Mitte August eine weitere Gruppe von Mitarbeitenden aus verschiedenen Regionaldirektionen für einen Studienbesuch nach Deutschland. Ziel war es – wie schon bei der ersten Gruppe im Dezember 2022 – das duale Ausbildungssystem Deutschlands mit seinen Akteuren und Funktionsweisen kennenzulernen, um Ideen und Anhaltspunkte für die Umsetzung des eigenen, costa-ricanischen Ausbildungssystems zu gewinnen.
Zu diesem Zweck organisierte GOVET ein umfangreiches Besuchsprogramm in der Region Köln Bonn. Der Auftakt mit Basisinformationen zum dualen System Deutschlands fand bei GOVET statt, gefolgt von einem Beitrag aus der Ordnungsabteilung des BIBB. Abteilungsleiterin Dr. Monika Hackel und Thomas Felkl, wissenschaftlicher Mitarbeiter, berichteten eindrücklich von den bestehenden Verfahren zur Erstellung von Ausbildungsordnungen, bei denen Expert*innen der Sozialpartner, also aus Wirtschaft und Arbeitnehmervertretungen, die Inhalte vorgeben. Neben diesem Aspekt stieß besonders die flexible Gestaltung der Ausbildungsordnungen bei den Teilnehmenden auf Interesse. Hier gehe man in Costa Rica noch zu akademisch an den betrieblichen Teil der Ausbildung heran und mache den Unternehmen zu kleinteilige Vorgaben, meldeten die Teilnehmenden zurück.
Auch in der Praxis zeigte sich bei den Unternehmensbesuchen, dass die Flexibilität in den betrieblichen Ausbildungsordnungen ein hoch geschätztes Gut ist: Frank Prokop, Ausbildungsleiter bei GKN Sinter in Bonn Mehlem unterstrich, dass das Unternehmen selbst die Ausbildung organisieren müsse, um sie an die betrieblichen Bedürfnisse, aber auch an den Lernfortschritt jedes und jeder Auszubildenden anpassen zu können. Erstaunt zeigten sich die Teilnehmenden davon, dass es in Deutschland momentan schwierig ist, junge Menschen für die Ausbildung zu gewinnen, während in Costa Rica momentan die Akquise von Unternehmen für die Ausbildungsbeteiligung an oberster Stelle stünde. Lisa Passmann, Ausbildungsleiterin für die kaufmännischen Berufe von Haribo am Standort Grafschaft, unterstrich wie wichtig die enge Begleitung der Auszubildenden sei. Mit einem umfangreichen Rotationsplan habe man erreicht, dass die Auszubildenden möglichst viele Unternehmensbereiche während der Ausbildung kennenlernen könnten. Dies gestalte die Ausbildung abwechslungsreich und modern, ebenso erleichtere es die Integration in den Betrieb nach der Ausbildung. Auch bei H.J. Lohmar, einem mittelständischen Handwerksbetrieb im Bereich der Sanitärinstallationen und Elektronik, setzt sich die Geschäftsführung dafür ein, eine Ausbildung anzubieten. Zu Beginn der Ausbildung stehen Einführungstage auf dem Programm, die eine moderne Start-up-Atmosphäre schaffen und man versuche die Arbeitseinsätze attraktiv und abwechslungsreich zu gestalten. Doch in beiden Unternehmen werde es zunehmen schwieriger, engagierte Auszubildende zu finden.
Bei weiteren Terminen lernten die Vertreter*innen des INA die Handwerkskammer zu Köln und den Ausbildungscampus in Köln-Ossendorf kennen. Die Teilnehmenden waren beeindruckt vom vielschichtigen Angebot des überbetrieblichen Ausbildungszentrums und der Bandbreite der Handwerksberufe, die in Costa Rica so nicht in einer Handwerkskammer organisiert sind. Beim Besuch am Georg-Kerschensteiner Berufskolleg in Troisdorf trafen die Teilnehmer*innen auf engagierte Lehrende und wurden vom stellvertretenden Schulleiter Boris Sauer und Susanne Lackmann, Lehrerin für Frisörberufe, durch das Gelände und die vielseitigen Bildungsmöglichkeiten am Berufskolleg geführt. In einem Austausch mit Peter Pfaffe von iMOVE – Training made in Germany wurde deutlich, dass es neben den staatlichen Akteuren auch viele kommerziell tätige Bildungsunternehmen in der Berufsbildung gibt.
Im Abschlussworkshop mit GOVET und unter Beteiligung von Alexander Hochradel, Referent im BMBF-Referat für Erasmus+ und internationale Berufsbildungskooperation, zogen die Teilnehmenden eine positive Bilanz des Aufenthaltes in Deutschland. Alexander Hochradel unterstrich die Bedeutsamkeit des Austausches mit den costa-ricanischen Kolleginnen und Kollegen im Rahmen der bilateralen Kooperation des BMBF mit Costa Rica.
Welche Früchte ein solcher Studienaufenthalt tragen kann, wurde bei einem Besuch von Julia Olesen, Projektleiterin bei GOVET, in Costa Rica deutlich: die Teilnehmenden der ersten Studienreise des INA im Dezember 2022 stellten vor, welche Schritte zur Umsetzung der dualen Berufsbildung sie seitdem ergriffen hatten: drei Teilnehmer*innen haben seitdem in ihren Regionen mit unterschiedlichen Programmen der dualen Berufsbildung gestartet, wovon wiederum etwa vierzig Auszubildende und zehn Unternehmen direkt profitieren. Ebenso sind die Erkenntnisse in die Strategie 2023 bis 2026 des INA zur Einführung der dualen Berufsbildung eingeflossen.