Kooperationsschwerpunkt Lehrpersonal – ein Schlüssel zu attraktiverer Berufsbildung in Südafrika
27.05.2024
Eine Herausforderung in der beruflichen Bildung ist es, das berufsbildende Personal fit für die Zukunft der Aus- und Arbeitswelt zu machen. Das Thema ist ein Kernstück der deutsch-südafrikanischen Berufsbildungskooperation. Bei einem Workshop tauschten sich beide Länder über mögliche Lösungen aus.
Eine attraktive, prestigereiche Karriere als Ausbilder*in oder Berufsschullehrer*in: Das ist die Vision für Südafrika, die Helen Mirren, langjährige leitende Mitarbeiterin der Branchenbehörde für technische Berufe (merSETA) und jetzt freie Beraterin, voranbringen möchte. Denn die Qualifikation des beruflichen Ausbildungspersonals bleibt eines der größten Desiderate zur Verbesserung des Berufsbildungssystems in Südafrika insgesamt.
Dementsprechend ist sie ein Kernstück der umfangreichen deutsch-südafrikanischen Berufsbildungskooperation. Das BMBF vereinbarte mit dem südafrikanischen Department of Higher Education (DHET) eine bilaterale Expertengruppe, die von GOVET im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) koordiniert wird. Auch die Entwicklungszusammenarbeit mit Vorhaben der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sowie die deutschen Unternehmen um die Auslandshandelskammer engagieren sich seit vielen Jahren in diesem Bereich.
Die deutsche Seite in der Expertengruppe vertreten Michael Härtel, Leiter des Bereichs „Lehren und Lernen, Bildungspersonal“ im BIBB; Prof. Michael Gessler, Lehrstuhlinhaber an der Universität Bremen; Prof. Waldemar Bauer, Lehrstuhlinhaber an der Uni Erfurt sowie koordinierend von Dr. Ralf Hermann von GOVET. Bei einem Workshop in der Nähe von Johannesburg stellten die deutschen Experten Mitte Mai die vielfältigen Initiativen zur Diskussion, die auch in Deutschland auf den Weg gebracht wurden, um berufliches Ausbildungspersonal zu stärken und für die veränderte Arbeits- und Ausbildungswelt fit zu machen. Das Portal „Leando“ und die Lernwelt zu MIKA – Medien- und IT-Kompetenz für Ausbildende – beide präsentiert von Michael Härtel – wurden im Kontext südafrikanischer Lösungen wie des National Open Learning System (NOLS) betrachtet. Die kürzliche Revision der Ausbildereignungsverordnung (AEVO) bot einen Anlass, über Mindeststandards, Weiterqualifizierung und Zertifizierung betrieblich Ausbildender zu sprechen. Nicht unerwartet wurde der Unterschied zwischen dem dualen System und seinem hohen Anteil an betrieblichem Lernen einerseits und einem stark schulisch geprägten Ausbildungssystems in Südafrika andererseits sichtbar. Damit gehen auch ein unterschiedliches Rollenverständnis und unterschiedliche Kompetenzen einher, die für Ausbildende in den beiden unterschiedlichen Kontexten prägend sind. Michael Gessler gab einen ersten Einblick in die „Kompetenzwerkstatt“ und ihren Hintergrund: In dieser über zwei Jahrzehnte von der Universität Bremen und Partnern entwickelten Toolbox geht es darum, Ausbildenden eine vollständige Begleitung durch alle Phasen eines Ausbildungsprozesses anzubieten – von der Definition der Ausbildungsziele über die einzelne Planungs- und Umsetzungsschritte bis hin zur Prüfung. Deutlich wurde dabei auch: Es geht nicht nur darum, einzelne Elemente aus diesem Gesamtprozess zu adaptieren, sondern vor allem darum, die Ausbildung auf ein erweitertes Kompetenzverständnis im Sinne eigenständiger Problemlösefähigkeit auszurichten. Waldemar Bauer gab zudem Einblicke in die Berufsschullehrerausbildung in Deutschland und die berufsschulische Vermittlungspraxis, insbesondere die Orientierung am Konzept der vollständigen Handlungskompetenz und die praktische Umsetzung durch Lern- und Arbeitsaufgaben.
Die südafrikanischen Partner nahmen die Impulse zum Anlass für eine lebhafte und fachlich versierte Diskussion. Entlang der Interessenschwerpunkte – z.B. Kompetenzstandards für Ausbildende oder lern- und arbeitsbasierte Aufgabenentwicklung – wird die Expertengruppe weitere Aktivitäten planen und umsetzen. Außerdem wurden gemeinsame Aktivitäten im Bereich der Berufsbildungsforschung sowie das Interesse an Schnittstellen von Technologieentwicklung und Aus- und Weiterbildung diskutiert, auch mit einem Beitrag des südafrikanischen Department for Science and Innovation als bilateraler Partner des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) in der Forschungskooperation.
Der Leiter des Bereichs Wissenschaft und Bildung in der deutschen Botschaft Holger Bodag hob zur Eröffnung des Workshops die Bedeutung der Berufsbildungskooperation für die deutsch-südafrikanische Zusammenarbeit hervor. Am Rande des Workshops fanden Gespräche mit Vertretern der deutschen Botschaft in Pretoria und mit weiteren starken Partnern wie der AHK und der GIZ statt.
Auf Einladung des Centres for Research in Education and Labour (REAL) an der University of the Witwatersrand trugen Michael Gessler und Waldemar Bauer neben Partnern aus Südafrika, Brasilien und Indien zu einem internationalen Panel unter dem Titel „Skills for Green Hydrogen: Steering the Path for a Sustainable Future“ bei.
Die Bilaterale Expertengruppe zur Berufsbildung wurde auf südafrikanische Initiative von der Binationalen Kommission 2020 vereinbart und 2023 vertieft. Sie ist ein wesentlicher Baustein der Maßnahmen zur Berufsbildungszusammenarbeit in der bilateralen Kooperation des BMBF mit dem Ministerium für Hochschul- und Berufsbildung (DHET). Vereinbarte Themenschwerpunkte sind derzeit die Stärkung des Berufsbildungspersonals und die Unterstützung bei der Entwicklung von arbeitsbasierten Ausbildungsstandards, zudem die Fortführung transformationsrelevanter Dialoge z.B. zu beruflicher Kompetenz für die Dekarbonisierung. GOVET hat die Expertengruppe gemeinsam mit dem DHET maßgeblich konzeptionell entwickelt, hat die deutschen Experten für die Gruppe gewonnen und ist mit der fachlichen und administrativen Koordinierung beauftragt. Mitglieder sind:
- Michael Härtel, BIBB, Arbeitsbereichsleiter: Lehren und Lernen, Bildungspersonal
- Prof. Dr. Michael Gessler, Universität Bremen, Abteilungsleiter, Institutssprecher und Lehrstuhlinhaber: Institut für Technik und Bildung „ITB”
- Prof. Dr. Waldemar Bauer, Universität Erfurt, Pädagogische Fakultät: Lehrstuhlinhaber Didaktik der Technik und gewerblich-technischer Fachrichtungen
Weitere Expert*innen werden konsultativ beteiligt.