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Who cares about Fachkräftemangel

07.06.2024

Fachkräfte aus dem Ausland werden dringend benötigt, um den immer deutlicher spürbaren Fachkräftemangel in Deutschland abzumildern. Warum es wichtig ist, dass dies fair und nachhaltig geschieht, war Thema des GOVET-Beitrags auf der re:publica 2024 „Who cares“.

Publikum auf Stühlen folgt dem Vortrag von Dr. Jan Schneider, der eine Powerpoint-Präsentation zur fairen Fachkräftemigration hält - auf dem Monitor eine Folie mit Grafiken zum Azubi-Mangel

Die Bundesregierung kümmert sich! So könnte die verkürzte Antwort auf die Frage sein, wer dafür Sorge trägt, dass die Fachkräfteanwerbung und -einwanderung auch fair und nachhaltig umgesetzt wird – nicht nur für den Menschen, der für den deutschen Arbeitsmarkt gewonnen werden kann, sondern auch für das Land, auf dessen Arbeitsmarkt diese Person nicht mehr tätig sein kann. Im Rahmen eines so genannten Lightning Talks stellte Dr. Jan Schneider, Leiter des Bereichs Forschung in der Geschäftsstelle des Sachverständigenrates für Integration und Migration, das Modell transnationaler Ausbildungspartnerschaften als Beispiel für eine faire und nachhaltige Anwerbung und Migration von Fachkräften auf der „rp24“ vor.

Bereits jetzt liegt die Fachkräftelücke über alle Berufe hinweg bei über 570.000 offenen Stellen. Nach Angaben des Deutschen Pflegerats fehlen in der Pflege rund 115.000 professionelle Pflegekräfte. Diese Fachkräftelücke werde sich, auch wegen des demografischen Wandels, bis 2034 auf 500.000 erhöhen. Gezielte Fachkräfteeinwanderung ist einer der Bausteine, mit denen diese Lücke verkleinert werden soll. Da der deutsche Fachkräftemangel jedoch nicht zum Brain-Drain in den Herkunftsländern führen soll, bemüht sich die Bundesregierung um Ausbildungspartnerschaften, in deren Rahmen alle Beteiligten profitieren. Dr. Jan Schneider machte dies im Rahmen seines Vortrages am Beispiel der Ausbildungspartnerschaft mit den Philippinen im Bereich der Pflege deutlich. In der jungen philippinischen Bevölkerung gibt es mehr Arbeitskräfte als Stellen, sodass es eine grundsätzliche Offenheit bei den Arbeitskräften und bei der philippinischen Regierung für eine Arbeitsaufnahme in Deutschland gibt. Die sehr hochwertige Pflegeausbildung auf den Philippinen, die in Form eines Studiums an einer Hochschule absolviert wird, wurde hinsichtlich der benötigten Kompetenzen an die deutsche Ausbildung angepasst. Die Ausbildungspartnerschaft bietet dabei zwei unterschiedliche Varianten. Teilnehmende aus den Philippinen können sich entweder für den „Abroad Track“ entscheiden, in dem die Ausbildung zur Pflegekraft sowie der Erwerb der deutschen Sprache in Deutschland stattfinden, oder für den „Home Track“, bei dem berufliche Qualifikation und Sprache auf den Philippinen erworben werden. In beiden Fällen haben die Teilnehmenden jederzeit die Möglichkeit, sich für den jeweils anderen Track umzuentscheiden. In diesem Modell profitieren alle Beteiligten: die Teilnehmenden, da sie neben einer qualitativ hochwertigen Ausbildung den zusätzlichen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erhalten, die Philippinen in Form des Wissenstransfers und zusätzlichen Arbeitsplatzangebots für ihre junge Bevölkerung und Deutschland durch die mögliche Gewinnung benötigter Fachkräfte. Die Investitionen für eine ausgebildete Fachkraft sind dabei deutlich geringer als die in Deutschland anfallenden Kosten. Damit ist ein vergleichsweise niedriger prozentualer Anteil von Teilnehmenden, die sich für die Arbeitsaufnahme in Deutschland entscheiden, notwendig, um die deutschen Investitionen zu amortisieren.

Folie, die das Modell der transnationalen Ausbildungspartnerschaften visuell darstellt

In der angeregten Diskussion mit den Zuhörenden wurde deutlich, dass es sich bei Modellen dieser Art bisher um einzelne Leuchttürme handelt, es gibt sie auch in anderen Berufen und Regionen. Die Bestrebungen gehen im Sinne einer fairen sozialverträglichen Gestaltung der Erwerbsmigration dahin, solche Programme auszuweiten und dem Privatsektor eine stärkere Rolle zu geben.

Portrait-Foto von Dr. Jan Schneider, seriös mit Anzug und Hemd

Dr. Jan SchneiderLeiter des Bereichs Forschung & Stellvertreter der Geschäftsführung, Sachverständigenrat für Integration und Migration

"Wie gelingt es eigentlich, Arbeitskräfte zukunftsweisend, nachhaltig und fair anzuwerben?"

Dr. Jan Schneider arbeitet seit 2012 in der Geschäftsstelle des Sachverständigenrats für Migration und Integration (SVR). Mit seiner Expertise, seinen Forschungsarbeiten und Handlungsempfehlungen für die Politik gilt das Team von Jan Schneider als eine maßgebliche Stimme in der Diskussion um die Gestaltung von Migration und Integration.

Die hohe Relevanz des Session-Themas wurde nicht zuletzt dadurch deutlich, dass die zahlreichen an der re:publica teilnehmenden Politikerinnen und Politiker in ihren Beiträgen vielfach auf die Notwendigkeit der Fachkräfteeinwanderung zu sprechen kamen, allen voran Arbeitsminister Hubertus Heil und Gesundheitsminister Dr. Karl Lauterbach. Bereits am Vortag erklärten Ricarda Knöller und Mareike Freitag vom Informationsportal der Bundesregierung zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen in ihrem Lightning Talk „Und was sagst du dazu? Faktencheck zur Anerkennung ausländischer Pflegekräfte“ wie der Prozess der Anerkennung im Ausland erworbener Berufsabschlüsse funktioniert.

Dank Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) beteiligt sich GOVET seit 2018 als Partner auf der re:publica, um die Rolle der internationalen Berufsbildungszusammenarbeit in die thematische Diskussion der Veranstaltung einzubringen. Die re:publica 2024 fand vom 27. bis 29. Mai in Berlin statt. Die 30.000 Besuchenden an den drei Veranstaltungstagen erwartete ein abwechslungsreiches Programm mit 1.615 Sprecherinnen und Sprechern aus 60 Ländern. 

GOVET unterstützt als Zentralstelle der Bundesregierung für internationale Berufsbildungszusammenarbeit die involvierten Bundesministerien und weiteren Akteure in diesem Politikfeld. Die Beantwortung von Fragen zur deutschen Berufsbildung aus dem Ausland und Bereitstellung mehrsprachiger Materialien gehören zu den Kernaufgaben von GOVET als One-Stop Shop für die internationale Berufsbildungskooperation. Die bilateralen Berufsbildungskooperationen des BMBF werden durch GOVET fachlich begleitet. Fachkräfteeinwanderung und Ausbildungspartnerschaften gewinnen als Themen innerhalb der deutschen internationalen Berufsbildungszusammenarbeit zunehmende Bedeutung.