Fast fünf Jahre duale Berufsbildung in Costa Rica – Zeit für eine Bilanz
Ende 2019 wurde in Costa Rica das Gesetz zur dualen Berufsbildung verabschiedet und damit legte das Land den Grundstein für duale Berufsbildungsprogramme. Was hat sich seitdem getan? Und wo liegen die Herausforderungen? GOVET berichtet.
Etwas mehr als fünf Jahre ist es her, dass Costa Rica das Gesetz zur dualen Berufsbildung verabschiedete. Am 15. Oktober 2019 passierte das Gesetz das Parlament mit einer deutlichen Mehrheit von 49 zu 2 Stimmen. Danach ging es in großen Schritten weiter. Mitte 2020 wurde die nationale Berufsbildungskommission (Comisión Asesora y Promotora de la Educación y Formación Técnica Profesional Dual) gegründet. In diesem Kontext kommen seither Ministerien, Wirtschafts- und Sozialpartner regelmäßig zusammen, um gemeinsam die Implementierung der dualen Berufsbildung voranzubringen. Die Gründung der CAP war ein wichtiger Meilenstein, denn sie stärkt den Austausch zwischen den Akteuren in der beruflichen Bildung.
Trotz der von Anfang an hohen Sichtbarkeit des Themas, wurde die Implementierung durch die Corona-Pandemie zunächst ausgebremst: In Zeiten von Schulschließungen und Lernen auf Distanz träumte niemand in Costa Rica vom Lernen im Betrieb.
Anfang 2022 starteten schließlich die ersten dualen Berufsbildungsprogramme des Bildungsministeriums (Ministerio de Educación Pública, MEP) und des nationalen Weiterbildungsinstituts (Instituto Nacional de Aprendizaje, INA). Insgesamt 34 Auszubildende begannen ihre Ausbildung in den Fachrichtungen Industrieelektronik, Webentwicklung und in industrieller Wartung und Instandhaltung bei insgesamt sieben Unternehmen.
Mittlerweile, zum Ende des Jahres 2024, vermelden INA und MEP substantielle Fortschritte in der Implementierung der dualen Berufsbildung – und diese lassen sich anhand von Zahlen belegen:
- Das INA arbeitet mit 99 Unternehmen zusammen, das MEP mit 27
- Insgesamt 335 Personen haben ihre Ausbildung bereits abgeschlossen: Davon befinden sich die meisten auf dem Niveau Técnico 1, was eine Programmdauer von vier bis sechs Monaten vorsieht. Im Rahmen des theoretischen Teils der Ausbildung besuchten die Absolventinnen und Absolventen Kurse bei INA. Das MEP zählt bisher 18 Absolventinnen und Absolventen und diese lassen sich dem Niveau Técnico 4 zuordnen. Das Programm dauert knapp drei Jahre und erklärt somit die geringe Zahl an Alumni.
- Knapp 200 Personen befinden sich derzeit in einer Ausbildung: INA zählt momentan 143 Auszubildende in acht verschiedenen Programmen. Das MEP hat gerade 55 Auszubildende in vier unterschiedlichen Programmen.
Auch das Portfolio an Ausbildungsberufen konnte bei beiden Institutionen erweitert werden: INA verfügt zu Beginn 2025 über 26 verschiedene Programme, das MEP über acht bis zehn Programme. Davon befinden sich jedoch nicht automatisch alle in der Implementierung, dies geschieht in Abhängigkeit von der Nachfrage durch Unternehmen und Umsetzungsmöglichkeit in Ausbildungszentren.
Beide Institutionen erwarten für das Jahr 2025 einen signifikativen Aufwuchs an Ausbildungszahlen. Das MEP beginnt sein Ausbildungsjahr immer Anfang Februar, so dass es zusammen mit dem allgemeinen Schuljahresbeginn fällt. INA hat in seiner Planung schon jetzt 39 Kurse auf Niveau Técnico 1 für das Jahr 2025 geplant. Seitens MEP haben knapp 19 technische Berufsschulen (Centro Técnicos Profesionales) Interesse angemeldet, duale Berufsbildung anzubieten, vorausgesetzt es können genug Unternehmen gefunden werden.
Trotz dieser Erfolge gibt es auch kritische Stimmen im Land. Sie bemängeln die geringen Zahlen an Auszubildenden, an beteiligten Unternehmen und an Absolvent*innen. Außerdem klagen die Unternehmen über die Kosten, die für sie durch die Ausbildung entstehen. Es lässt sich beobachten, dass die Beteiligung der Unternehmen bisher noch Überzeugungsarbeit bedeutet, denn bei der dualen Berufsbildung handelt es sich um eine neue Art des Lernens. Unternehmen haben sich bisher eher als Empfänger von ausgebildeten Fachkräften gesehen und weniger als ausbildenden Teil der professionellen Entwicklung ihrer Mitarbeitenden. Gleichwohl zeigen sich die bisher beteiligten Unternehmen überzeugt von der dualen Berufsbildung und die meisten haben bereits die zweite Gruppe an Auszubildenden in ihrem Unternehmen empfangen. Auch gibt es Vorreiter wie das Hotel Westin Reserva Conchal, die schon die zehnte Generation ausgebildet haben.
Fünf Jahre nach der Gesetzeseinführung lässt sich nun zusammenfassen: Costa Rica steht an einem sehr vielversprechenden Punkt. Die duale Berufsbildung hat sich trotz der Herausforderungen etabliert und sie entwickelt sich schrittweise zu einem festen Bestandteil des Bildungssystems. Ein entscheidender Erfolgsfaktor bleibt jedoch die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen.