BP:
 
Dr. Georg Schütte,
Staatssekretär im
Bundesministerium für
Bildung und Forschung (BMBF)
2015

Welche Schwerpunkte setzt Ihr Ministerium in der internationalen Zusammenarbeit und wie bringen Sie diese in die Gesamtstrategie ein?

Spätestens seit der Wirtschafts- und Finanzkrise legen wir in der Berufsbildungszusammenarbeit mit unseren europäischen Partnern einen Schwerpunkt darauf, die Beschäftigungsmöglichkeiten für junge Menschen zu verbessern. In Teilen Europas sind über 50 Prozent der jungen Menschen ohne Arbeit. Das ist nicht akzeptabel und wir, die wir in politischer Verantwortung stehen, müssen dieses Thema immer wieder auf die Agenda bringen – wie aktuell beim Jugendbeschäftigungsgipfel in Mailand.
Es ist uns bewusst, dass unsere Berufsbildungszusammenarbeit junge Menschen nicht kurzfristig „von der Straße“ holen kann. Der Ansatz des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zielt ja auf nachhaltige Reformen in den Berufsbildungssystemen. Wie wir aber wissen, erhöhen wir die Beschäftigungschancen junger Menschen mittel- bis langfristig vor allem dann, wenn wir Reformen anstoßen, die sich am dualen Berufsbildungssystem orientieren. Die OECD hat im vergangenen Jahr die eindrucksvolle Leistungsfähigkeit des dualen Systems beim Übergang von der Ausbildung ins Arbeitsleben unterstrichen: Dieser verlaufe in Deutschland „bemerkenswert reibungslos“, hieß es im Deutschlandbericht der Studie „Skills beyond School“.

Vor diesem Hintergrund haben wir bereits im Dezember 2012 in Berlin  Maßnahmen der bilateralen Berufsbildungskooperation mit den Ländern Griechenland, Italien, Lettland, Portugal, Slowakei und Spanien Kooperationsvereinbarungen geschlossen. Dazu sehen wir uns verpflichtet, nicht zuletzt aus Solidarität mit unseren europäischen Partnern.

Darüber hinaus ist unsere Zusammenarbeit mit außereuropäischen Staaten auch wirtschaftspolitisch motiviert. Wenn wir Partnerstaaten wie Brasilien, Indien oder China eine strukturelle Beratung anbieten und grenzüberschreitend Know-how weitergeben, dient das auch dem Ziel, den Fachkräftebedarf der deutschen – insbesondere mittelständischen - Wirtschaft zu decken. Dem Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften, den deutsche Unternehmen sowohl hierzulande als auch im Ausland beklagen, können wir beispielsweise durch die Förderung berufsbildender Maßnahmen im Ausland begegnen.
Unsere Gesamtstrategie der Zusammenarbeit basiert auf einem gegenseitigen Lern- und Erfahrungsaustausch. Dabei geht es darum, die Prinzipien des dualen Systems im jeweiligen Partnerland an dessen Rahmenbedingungen anzupassen und zu verwirklichen. Uns ist es daher auch besonders wichtig, dass die Partnerländer die Berufsbildungsstrategien, die wir gemeinsam mit ihnen erarbeiten, selbstständig umsetzen und nachhaltig weiterentwickeln.

Da das Bundesministerium für Bildung und Forschung das federführende Ressort für die Berufsbildung ist, hat es die Verantwortung für den Runden Tisch und die im BIBB angesiedelte Zentralstelle GOVET übernommen.

Welchen spezifischen Nutzen für Ihr Ressort sehen Sie in der Einrichtung des „Runden Tisches“ im ersten Jahr? Bitte nehmen Sie möglichst Bezug auf ein konkretes Beispiel.

An erster Stelle stehen Transparenz und Kohärenz. Unser Berufsbildungssystem ist in seiner Vielzahl von sich überschneidenden Politikfeldern und Akteuren recht komplex. Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaft, der Kammern, der Gewerkschaften, der Arbeits-, und Wirtschaftsministerien, des Auswärtigen Amts und der Entwicklungszusammenarbeit; Ausbilder, Lehrkräfte und Berufsbildungsforscher: Sie alle arbeiten kontinuierlich an der Verbesserung des Berufsbildungssystems. Sie alle bringen auch - bei grundsätzlich hohem Konsens - immer wieder unterschiedliche Perspektiven ein. Das ist gut und in der Regel auch sehr fruchtbar. Dennoch ist uns wichtig, dass wir nach außen kohärent auftreten - besonders bei anhaltend hohem Interesse aus dem Ausland. Wir wollen, dass sich unsere Perspektiven und Ansätze in der internationalen Berufsbildungszusammenarbeit ergänzen und nicht doppeln. Zum Beispiel soll sich idealerwiese der Ansatz der Entwicklungszusammenarbeit mit den systemischen Reformansatz des BMBF ergänzen. Der „Runde Tisch“ als Abstimmungsgremium hilft hier, um mit einer Stimme gegenüber dem Partnerland aufzutreten und unseren Partnerländern eine kohärente Zusammenarbeit anbieten zu können.
Der „Runde Tisch“ verhilft auch zu Klärungsprozessen in der deutschen Politik. Ein gutes Beispiel dafür ist die Strategie der Bundesregierung „Internationale Berufsbildungskooperation aus einer Hand“. Diese haben wir sowohl mit allen relevanten Bundesressorts, als auch gemeinsam mit unseren Partnern am „Runden Tisch“ entwickelt. Auf dieser Basis können alle darin genannten fünf Prinzipien des dualen Systems, u.a. das Lernen im Arbeitsprozess, auch im Ausland gut vertreten werden.

Zudem hat der „Runde Tisch“ innerhalb von kurzer Zeit dafür gesorgt, dass sich die Akteure gegenseitig informieren. Das schafft die Grundlagen für eine echte Kooperation: So führen z.B. GIZ und BIBB gemeinsam im Auftrag des BMZ und des BMBF in Indien und Mexiko Prüfmissionen durch.

Welche Maßnahmen sind aus Ihre Sicht in der nächsten Zeit in Angriff zu nehmen, um die Gesamtstrategie der Bundesregierung auszubauen?

Die „one-stop-shop“-Funktion der Zentralstelle GOVET, also die Funktion als erster Anlaufpunkt für Interessierte aus dem Ausland, hat sich bewährt und sollte ausgebaut werden. Es wird deutlich, dass viele Staaten, die an einer Kooperation mit Deutschland in der Berufsbildung interessiert sind, ihren Bedarf an Fachinformationen und Vermittlung von Ansprechpartnern gut durch eine Kooperation mit GOVET decken können.

Hier sollte das Informationsangebot der Zentralstelle weiter entwickelt und ausgebaut werden. Wir möchten dabei gerne alle Akteure aufrufen, die teilweise schon jetzt vorhandenen Datenbanken mit ihren Aktivitäten zu füllen und damit zur Wirkung solcher Instrumente beizutragen. 
Im Übrigen ist die Basis für eine vertrauensvolle und enge Partnerschaft zwischen den deutschen Akteuren gelegt. Gemeinsame Prüfmissionen wie in Indien und Mexiko belegen den hohen Grad an Offenheit für ein partnerschaftliches Handeln im Sinne der Sache. Nun gilt es, diesen Geist der Partnerschaft konsequent weiter zu verfolgen.