Bilaterale Berufsbildungszusammenarbeit mit Portugal wird ausgebaut
Deutschland und Portugal vereinbaren die gemeinsamen Anstrengungen im Bereich der beruflichen Bildung zu intensivieren. Dazu erneuern die Partner das gemeinsame Memorandum of Understanding. Die Zukunftschancen der portugiesischen Jugend sollen verbessert werden.
Memorandum of Understanding mit Portugal erneuert
Fast drei Jahre nach der Unterzeichnung des Memorandums of Understanding (MoU) zur bilateralen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Portugal im November 2012 erneuerten die Bildungsministerien beider Länder am 23. Juni 2015 ihre Absichtserklärung, die gemeinsamen Anstrengungen im Bereich der beruflichen Bildung zu intensivieren. Bundesministerin Johanna Wanka verständigte sich bei ihrem zweitägigen Besuch in Lissabon mit ihrem Amtskollegen, Bildungsminister Nuno Crato, auch in den nächsten drei Jahren gemeinsame Projekte anzustoßen, um Jugendlichen bessere Ausbildungschancen und damit Zukunftsperspektiven zu bieten. Die Jugendarbeitslosigkeit in Portugal ist seit 2014 um 4,2 Prozentpunkte zurückgegangen, liegt mit 31,2 Prozent aber immer noch weit über dem EU-Durchschnitt (EU-28: 20,7 Prozent).
Zur Berichterstattung des BMBF
Berufsbildungskonferenz der AHK Lissabon
Am Tag der Unterzeichnung des MoU sprach die Bildungsministerin auch auf einer von der AHK Lissabon organisierten Berufsbildungskonferenz. Gemeinsam mit Minister Nuno Crato und dem Minister für Solidarität, Arbeit und Sozialversicherung, Pedro Mota Soares, reflektierte sie in ihrem Beitrag über den Zusammenhang zwischen passgenauer Ausbildung und Qualifikation von Jugendlichen und wirtschaftlicher Prosperität.
Ministerin Wanka zeigte Bewunderung für den von der portugiesischen Regierung eingeschlagenen Reformkurs und betonte ihre Bereitschaft, diesen zu unterstützen. Ziel der Berufsbildungskonferenz war es, eine Plattform für die öffentliche Diskussion über die einzelnen Elemente des dualen Berufsbildungssystems in der portugiesischen Öffentlichkeit zu bieten. Dabei waren sich alle Teilnehmenden einig, dass es nicht darum gehe, das System aus Deutschland 1:1 zu transferieren. Unter dem Motto „Berufsausbildung: Wettbewerbsfähigkeit – wirtschaftliche Prosperität“ wurde die ganze Bandbereite des deutschen dualen Berufsausbildungssystems in seiner Komplexität angesprochen. Über 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Portugal sowie geladene Gäste aus Deutschland verfolgten die anregenden Podiumsdiskussionen und Impulsreferate.
Professor Reinhold Weiß, Ständiger Vertreter des Präsidenten und Forschungsdirektor des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), leitete mit einem Impulsreferat in den Themenblock zur Kooperation zwischen Staat und Wirtschaft ein. In seinem Beitrag plädierte er für die Mitwirkung aller relevanten Akteure in der Berufsbildung als unverzichtbares Element einer qualifizierten Berufsbildung. „Gerade die Expertinnen und Experten aus den Unternehmen, die Sachkundigen aus der Praxis, können am besten beurteilen, welche Qualifikationen gebraucht, welche Anforderungen in unterschiedlichen Berufen gestellt werden oder wie sie in Ausbildungsordnungen und Prüfungsanforderungen umgesetzt werden können“, so Weiß. Der Staat trete in Deutschland als Moderator der Rahmenbedingungen auf und unterstütze den Prozess der Abgrenzung der Berufe, wobei er sich auf das Wissen aus der Praxis verlasse. Die Einbindung der Betroffenen und Nutznießer von Berufsbildung, und zwar von Verbands-, Unternehmens- und Gewerkschaftsvertretern aus unterschiedlichen Branchen, sorge dafür, dass unterschiedliche Interessen zum Tragen kommen und in dem letztlich gefundenen Kompromiss Berücksichtigung finden. Dies sorge für die erforderliche breite Akzeptanz der gefundenen Lösungen und – was besonders wichtig sei – für die Zustimmung durch die relevanten Akteure. Weiß betonte jedoch, dass die Art und Weise der Einbindung von Wirtschaftsorganisationen und Gewerkschaften in jedem Land entsprechend seiner Traditionen und dem Selbstverständnis der Akteure neu gefunden und austariert werden müsse. Dass es verschiedene, erfolgreiche Modelle gebe, zeige auch ein Blick auf die dualen Systeme in den Nachbarländern Schweiz und Österreich, deren Governance-Modelle sich durchaus von dem deutschen Weg unterscheiden.
Bilaterale AG
Die Unterzeichnung des Memorandums of Understanding (MoU) am 23.6.2015 ist Grundlage für die weitere Arbeit der bilateralen AG in den kommenden drei Jahren. Unter dem Dach der bilateralen AG wurde 2014 eine Qualifizierungsmaßnahme für betriebliche Ausbilder und Ausbilderinnen, sogenannte Tutoren, auf der gesetzlichen Grundlage von 35 Stunden für jährliche Fortbildungen erarbeitet. In dem Pilotprojekt wurden Multiplikatorinnen und Multiplikatoren geschult. Als Ergebnis liegen Arbeitsmaterialien für die Schulung vor, angepasst an den portugiesischen Bedarf und die betriebliche Wirklichkeit. Kooperationspartner waren auf portugiesischer Seite das Bildungsministerium MEC, die Arbeitsagentur IEFP und die Qualifizierungsbehörde ANQEP. Das Projekt wurde vor Ort von der AHK koordiniert und vom BMBF finanziert. Die Koordination der Aktivitäten im Rahmen der bilateralen AG lag bei GOVET im BIBB. Das BIBB war auch für die wissenschaftliche Begleitung des Projektes zuständig.
Bei der nun tagenden bilateralen AG unter Vorsitz der Beraterin des portugiesischen Bildungsministers, Isabel Hormigo, und Unterabteilungsleiterin des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, BMBF, Susanne Burger, diskutierten Vertreterinnen und Vertreter des BMBF, GOVET, BIBB, Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB), Goethe Institut Lissabon, der Bundesagentur für Arbeit und AHK auf deutscher Seite mit ihren portugiesischen Kolleginnen und Kollegen von Gewerkschaftsverbänden (CGTP und UGT), Arbeitgeberverband CIP, Nationaler Agentur ANPROALV, Qualifizierungsbehörde ANQEP, Arbeitsagentur IEFP, dem Verband der Berufsbildungsschulen ANESPO sowie verschiedenen Berufsverbänden über den Arbeitsplan für die nächsten drei Jahre. Als Ergebnis werden zwei ständige Arbeitsgruppen in Portugal eingerichtet, die sich mit Implementierung und Evaluierung des Tutorenprojektes sowie den Themen „Qualitätssteigerung“ und „Mechanismen zur Attraktivitätssteigerung der beruflichen Ausbildung für Unternehmer und Jugendliche“ beschäftigen. Dabei soll es auch um die Qualifizierung der Koordinatorinnen und Koordinatoren in der Schule als Schnittstelle zu den ausbildenden Unternehmen gehen. Das nächste Arbeitstreffen ist für September anvisiert.