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Costa Rica bereitet duale Berufsausbildung vor

Mit zwei Pilotprojekten möchte Costa Rica in die duale Berufsausbildung starten. Die Unterstützung von GOVET ist angefragt. Ein Studienbesuch in Deutschland wird den Auftakt bilden.

Costa Rica sieht in einer dualen Berufsausbildung die Chance, mit dem technischen Wandel Schritt zu halten, Jugendlichen eine praxisnahe Ausbildung zu ermöglichen und den Fachkräftebedarf im Land zu sichern. Bereits im Februar wurde bei einem Besuch von Bundesbildungsministerin Prof. Johanna Wanka in San José eine Absichtserklärung zur Kooperation mit dem costarikanischen Bildungs- und dem Wissenschaftsministerium unterzeichnet. Im Auftrag des Bundeministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) erörterte GOVET im Juni konkrete Möglichkeiten und die Interessen einer Zusammenarbeit mit Vertreterinnen und Vertretern in San José. Gegenstand der Gespräche waren Entwürfe der costarikanischen Regierung für zwei Pilotprojekte, mit denen das duale Prinzip in unterschiedlichen Bereichen (wieder-)eingeführt und erprobt werden soll. Costa Rica blickt auf Erfahrungen mit dem dualen System der beruflichen Bildung aus den 1980er Jahren zurück.

Duale Berufsausbildung - zwei Pilotprojekte

Das dem Arbeitsministerium unterstehende Instituto Nacional de Aprendizaje (INA) plant ein Pilotprojekt („Aprender Haciendo“) zur Umsetzung einer qualitativ hochwertigen dualen Ausbildung in den Bereichen Tourismus sowie Informations-, Kommunikations- und Medizintechnik. Die Universidad Técnica Nacional (UTN) plant neben der Einrichtung eines Masterstudiengangs mit Spezialisierung für Berufsschullehrkräfte ein Pilotprojekt im Bereich duale Berufsausbildung in der Automechanik. Für die Planung und Umsetzung beider Pilotprojekte wurde die Expertise von GOVET angefragt. Weitere Themen, die Gegenstand einer zukünftigen Kooperation sein könnten, sind:
• die Entwicklung/Aktualisierung der Ausbildungsordnungen/Rahmenlehrpläne in den Sektoren Tourismus, Informations-, Kommunikations- und Medizintechnik sowie Automechanik,
• Mechanismen der Entwicklung von Standards,
• die Qualifizierung von Akteuren der beruflichen Bildung in Costa Rica,
• die Entwicklung eines nationalen Qualifikationsrahmens sowie
• die Evaluierung des Gesamtprojektes.

Die Erfolgsfaktoren des dualen Ausbildungssystems in Deutschland kennenlernen

Auch wenn das deutsche duale Ausbildungssystem sich großer Bewunderung erfreut, ist sowohl den deutschen als auch den costarikanischen Partnern klar, dass es keinen 1:1 Transfer geben kann, da Bildungssysteme komplexe, traditionell gewachsene Strukturen darstellen. Möglich ist jedoch, im gegenseitigen Austausch voneinander zu lernen und gemeinsam neue Lösungen für drängende Probleme zu entwickeln. Daher kommen die Akteure aus Costa Rica im Rahmen einer Studienreise in der zweiten Jahreshälfte zunächst nach Deutschland, um das duale Ausbildungssystem kennen zu lernen sowie Betriebe, Schulen und überbetrieblichen Berufsbildungsstätten (ÜBS) zu besuchen. Dabei werden Kooperations- und Beratungsmöglichkeiten mit GOVET erörtert und die Zusammenarbeit konkretisiert.

Gesetz zur dualen Bildung in Costa Rica

Derzeit wird ein Gesetzesvorhaben zur dualen Bildung im Parlament von den Akteuren äußerst kontrovers diskutiert. Vor allem die Gewerkschaften, aber auch Teile der aktuellen Regierung, befürchten, dass eine Verlagerung der Ausbildung in den Betrieb dazu führen könnte, dass die Auszubildenden als billige Arbeitskräfte eingesetzt und den Facharbeiterinnen und Facharbeitern Konkurrenz machen könnten. Darüber hinaus steht die grundsätzliche Frage im Mittelpunkt, ob der wichtige Bildungsauftrag des Staates an die Unternehmen delegiert werden kann und soll und weiterhin, ganz praktisch, wie ein Unternehmen eine qualitativ hochwertige Ausbildung gewährleisten kann. Einen Anstoß für diese Debatte gab eine OECD-Studie von 2015, die das Berufsbildungssystem in Costa Rica unter die Lupe nahm und eine Verbesserung des Praxisbezuges sowie eine Standardisierung anmahnte.

Das dem Arbeitsministerium unterstehende Instituto Nacional de Aprendizaje (INA) hat bereits Erfahrungen mit dualer Ausbildung und möchte sein Angebot qualitativ verbessern und ausweiten. Bislang bietet das Institut „Duale Bildung“ als eine von fünf Ausbildungsmodalitäten an. Die Anzahl von aktuell 200 Graduierten pro Jahr soll in den nächsten Jahren auf bis zu 2000 Graduierte pro Jahr erhöht werden. Damit will das INA stärker auf den Bedarf der Wirtschaft eingehen. Dies würde auch die AHK Costa Rica begrüßen. Darüber hinaus ist anzumerken, dass die vom INA angebotene Ausbildung nicht formal, akademisch anerkannt ist. Insbesondere hier könnte langfristig ein nationaler Qualifikationsrahmen zu mehr Durchlässigkeit verhelfen. Dieser Diskussionsprozess ist bereits im Gange. Auch im formalen, akademischen Bereich ist der Bedarf nach mehr Praxisbezug in der Ausbildung erkannt worden. Dem soll das Projekt der UTN Rechnung tragen. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf der Qualifikation des Lehrpersonals und daher der Einrichtung eines Lehrstuhls.