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Griechenland: Runder Tisch zur dualen Berufsausbildung

Seit Oktober 2016 gibt es an der Deutschen Botschaft Athen einen Runden Tisch zur dualen Berufsausbildung. Die Deutsche Botschaft Athen hat sehr gute Erfahrungen gemacht und möchte zeigen, was dazu geführt hat, welche Akteure diesen Prozess tragen und wie die Botschaft hier unterstützen konnte. Das kann Anregungen bieten, auch an anderen Botschaften einen Runden Tisch einzurichten bzw. Erfahrungen mit einem schon bestehenden Runden Tisch zu vergleichen.

Dimitrios Baxevanakis, stellvertretender griechischer Bildungsminister, und Thomas Rachel, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, unterzeichneten am 16. Februar 2017 den neuen deutsch-griechischen Kooperationsvertrag zur Berufsbildungszusammenarbeit.

Die Situation in Griechenland
Griechenland verfügt bereits seit den 1950er Jahren über ein berufliches Ausbildungssystem, dem jedoch wesentliche Merkmale der dualen Berufsausbildung fehlen. Das System ist ursprünglich in Staatsbetrieben (Eisenbahn, Stromversorgung) entwickelt worden, die für den eigenen Bedarf ausbilden. Eine berufliche Ausbildung wird in der griechischen Gesellschaft nicht als Alternative zum Abitur für Schüler gesehen oder beworben. Die gesamte Berufsausbildung in Theorie und Praxis findet in dafür eingerichteten Berufsschulen statt und ist stark theorielastig. Ein anerkannter, praktischer innerbetrieblicher Teil fehlt. Arbeitgeber suchen ihre Auszubildenden nicht aus. Die Auszubildenden bekommen in der Regel weder eine Ausbildungsvergütung, noch hängt der Ausbildungserfolg von Leistungen im Betrieb ab. Dazu kommt eine kleinteilige Betriebsstruktur: Nur knapp ein Fünftel aller Betriebe hat 10 oder mehr Mitarbeiter. Die gesellschaftliche Anerkennung und die Nachfrage nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung ist im Land traditionell niedrig, der Drang in akademische Berufe groß. Die Lücke zwischen dem Arbeitskräftebedarf der Wirtschaft etwa in den Bereichen Tourismus, Landwirtschaft und Energie und dem Ausbildungsangebot ist jedoch relativ hoch. Griechenland hat einen relativ hohen Anteil an jungen Personen, die weder in Arbeit, Aus- oder Weiterbildung sind (sog. NEETS – not in employment, education or training).

Bilaterale Kooperation – konkrete Projekte
Die deutsch-griechische Kooperation im Bereich der dualen Berufsausbildung ist seit Jahren sehr eng und vielfältig. Das BMBF hat bereits 2012 ein erstes MoU mit dem griechischen Bildungsministerium unterzeichnet. Daraufhin wurde ab September 2013 ein für Griechenland innovatives Pilotprojekt „MENDI“ umgesetzt, das noch bis Ende 2017 läuft. Dabei handelt es sich um eine praxisorientierte Ausbildung in den Berufen Koch, Restaurantfachkraft und Hotelfachkraft. 155 Auszubildende – inzwischen Absolventen – und 60 griechische Unternehmen nehmen teil. Partner auf griechischer Seite sind Bildungs- u. Arbeitsministerium und die Arbeitsverwaltung OAED.

Die Förderung erfolgt durch das BMBF, die DEKRA Akademie, den Robinson Club und die TU Berlin. Partner vor Ort in Athen ist die deutsch-griechische Außenhandelskammer (AHK), die die Projekte sehr eng begleitet. Die AHK bringt ihre umfassende Expertise im Bereich der Erstellung von Curricula und des Wissensaustauschs der Berufsschullehrer mit deutschen Kollegen und Experten (train the trainer) ein. Aktuell setzt sie zusammen mit der griechischen Eisenbahn das Projekt „VETNET“ um. Das BMBF fördert zudem seit 2016 das Projekt „Unions4VET“, das Gewerkschaften u.a. aus Portugal, Italien und Griechenland beim Thema duale Berufsausbildung einbindet und selbst entwickelte, auf die Bedingungen vor Ort passende Lösungen fördert. BMBF und griechisches Bildungsministerium haben im Januar 2017 eine neue Absichtserklärung unterzeichnet, die eine systemische Verstetigung der Pilotprojekte MENDI und VETNET vorsieht und das Thema der Entwicklung von Standards in den Fokus nimmt.

Der erste Runder Tisch fand am 6. Oktober 2016 in den Räumen der AHK in Athen statt.

Viele Akteure – nicht immer ausreichende Koordination
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) unterhält einen „Arbeitskreis Bildung und Beschäftigung“, in dem viele relevante griechischen Akteure zusammentreffen. Weitere Akteure sind das Goethe-Institut, die Deutsche Schule Athen und die Deutsche Schule Thessaloniki, die Kontaktperson für das Auslandsschulwesen, der DAAD und deutsche Unternehmen in Griechenland. Daneben gibt es noch weitere bilaterale Aktivitäten des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und auch einzelner Bundesländer, so etwa ein MoU zwischen Thüringen und dem OAED vom Februar 2016. Die Deutsch-Griechische-Versammlung (DGV) unterhält ein eigenes Pilotprojekt auf Kreta. Allerdings: An einen Tisch sind diese Akteure zum ersten Mal im Rahmen des Runden Tisches gekommen.

Auftakt
Die Botschaft hat stets Kontakt zu allen diesen Stellen gehalten, es fehlten der Deutschen Botschaft Athen und den deutschen Akteuren jedoch eine Gesamtkoordinierung und ein Gesamtüberblick. Angeregt durch den Austausch mit GOVET auf dem Sozialreferentenseminar im Juni 2016 in Berlin, hat die Botschaft den Prozess eines Runden Tisches zusammen mit der AHK auf den Weg gebracht. Die Deutsche Botschaft Athen hat ein Konzept entwickelt, das sich bewährt hat: Eine Ortskraft der Deutschen Botschaft in Athen, die in idealer Weise in die beiden zuständigen Referate für Wirtschaft sowie für Arbeit, Gesundheit und Soziales eingebettet ist, hält die Fäden zusammen. In Fragen beruflicher Bildung tauscht sich die somit auf Arbeitsebene als Dreierteam aufgestellte Botschaft gemeinsam mit einer Vertreterin der AHK Athen mit den griechischen Partnern vor Ort aus und arbeitet gleichzeitig eng zusammen mit den zuständigen Fachreferaten und Institutionen in Deutschland. Daraus entwickeln sich Ideen, welche Partner neu eingebunden werden könnten und welche Akteure man untereinander in Kontakt bringen kann. Netzwerkarbeit ist ein entscheidender Punkt, sie gibt dem runden Tisch „Sauerstoff“ zwischen den einzelnen Treffen.

Aktuelle Entwicklungen – kleine aber stetige Fortschritte
Gegenwärtig befindet sind Griechenland in einer spannenden Umbruchsphase. Änderungen beim gesetzlichen Rahmen, Zuständigkeitsregelungen zwischen dem Bildungs- und Arbeitsministerium bzw. den Ausbildungsschulen im jeweils nachgeordneten Bereich, Aus- und Weiterbildung für Berufsschullehrer, eine Aktualisierung der Berufsbilder bzw. der Curricula und der Infrastruktur der Schulen werden neu festgesetzt. Ein gemeinsamer Ministerialerlass des Arbeits-, Bildungs-, Gesundheits- und Wirtschaftsministeriums vom 18. Juli 2017 definiert erstmals die duale Berufsausbildung mit berufspraktischen Elementen und regelt Ausbildungsvergütung, Sozialversicherungsbeiträge und Urlaubsanspruch. Grundlegende Gesetzesänderungen zur dualen Berufsausbildung sollen demnächst folgen. Im Vorfeld dieser Phase waren unser Austausch und die enge Zusammenarbeit sehr wichtig und zielführend.

Gesteckte Ziele
Der Runde Tisch zur dualen Berufsausbildung konnte entscheidend dazu beigetragen, dass sich die deutschen Akteure untereinander koordinieren und abstimmen und ihre Erfahrungen und Erwartungen abgleichen können. Auch ist positiv, dass die griechische Seite, die einen Zentralstaat gewohnt ist, sich nunmehr effektiver mit einem einheitlicheren deutschen Auftreten befassen kann. Die Deutsche Botschaft Athen wird diesen Prozess gemeinsam mit unseren Partnern fortsetzen. Entscheidend ist jetzt, wie nachhaltig die Erfahrungen aus den Modellprojekten in die griechische Gesellschaft und in die Gesetzbücher hineinwirken. Der Runde Tisch soll weiter ausgebaut werden. Gedacht ist zukünftig etwa an:
• eine einheitliche Kommunikationsstrategie mit einem einheitlichen Logo
• eine Einbindung einzelner griechischer Akteure zu bestimmten Themen

Autoren: Andreas Kehrbach, Doris Tippmann, Auswärtiges Amt