Duale Ausbildung begeistert Bildungsminister aus Brunei
Wie wenig selbstverständlich die duale Ausbildung in anderen Teilen der Welt ist, zeigte sich beim Besuch des bruneiischen Bildungsministers Ende Januar in Berlin. Staatssekretär Schütte empfing den Minister zum Erfahrungsaustausch in der Berufsbildung im BMBF. Die Gäste äußerten ein gezieltes Interesse an Austauschmöglichkeiten für Lehrende und Lernende sowie an Bildungs- und Qualifizierungsangeboten.
„Wie nur gelingt es in Deutschland, die Unternehmen bei der Ausbildung mit ins Boot zu holen und warum beteiligen sie sich freiwillig an den Ausbildungskosten?“ war eine der ersten Fragen, die der bruneiische Bildungsminister Hamzah bin Haji Sulaiman Staatssekretär Dr. Georg Schütte (Bundesministerium für Bildung und Forschung – BMBF) stellte. Im Laufe des zweitägigen Berlin-Programms der Delegation aus Brunei Darussalam sollte sie noch öfter fallen. In der Begegnung mit Berliner Berufsschulleitungen und Ausbildenden, Unternehmen, Kammern und Bildungsanbietern, Auszubildenden und Meisterschülern waren die Gäste aus Brunei immer wieder beeindruckt von der Koordinierung der Lernort-Kooperation und den komplexen Strukturen im deutschen Berufsbildungssystem. Eine partnerschaftliche Verantwortung und damit verbundene Investitionen der zahlreichen Akteure für die Fachkräfte-Ausbildung ist in Brunei und anderen Ländern alles andere als selbstverständlich.
Zum Auftakt der Study Visit-Tour begrüßte Staatssekretär Dr. Georg Schütte die vierköpfige Delegation hochrangiger Vertreter aus Regierung und nationalen Bildungseinrichtungen in der Berufsbildung (Technical Vocational Education and Training – TVET) im Berliner BMBF. Die bruneiische Botschafterin Hajah Rakiah binti Haji Abdul Lamit begleitete die Delegation. Die fachliche Einführung erfolgte durch GOVET und iMOVE gemeinsam mit Birgit Thomann, Abteilungsleiterin Berufsbildung International (BIBB).
Berufliche Bildung, um der Zukunft nachhaltig gewachsen zu sein
Die berufliche Bildung Bruneis befindet sich in einem umfassenden Reformprozess – mit Blick auf wirtschaftliche Entwicklungsbedarfe, den technologischen Wandel und die Erreichung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung, an denen sich das Land stark orientiert. Mit der Gründung des Institute of Brunei Technical Education (IBTE) brachte Brunei 2014 die Umsetzung seiner nationalen Entwicklungsziele auf den Weg. Definiert sind diese im Whitepaper zur „Transformation der beruflichen Bildung“. Eine zentrale Schlüsselrolle spielt dabei die Berufsbildung (in Brunei: TVET) und die Frage, wie nachhaltige Innovationen für eine systematische zukunfts- und qualitätsorientierte Weiterentwicklung von Berufsbildern angestoßen werden können. Die Hoffnung Bruneis ist, über eine hochwertige Ausbildung Expertise und Impulse in die Unternehmen bringen zu können. Ziel ist, den Mehrwert guter Ausbildung sowohl jungen Menschen in der Berufsorientierungsphase als auch Unternehmen aufzuzeigen und als Entwicklungsmotor zu nutzen.
Brunei hat eine etablierte und gewinnbringende Öl- und Gasindustrie, die die Verantwortung für qualifizierte Fachkräfte beim Staat sieht. Damit junge Menschen eine echte Wahl haben, hat sich Brunei eine Entwicklung weg von angebots-, hin zu nachfrageorientierten Ausbildungsperspektiven auf die Fahnen geschrieben. „Um einen langfristigen Nutzen für den Einzelnen, die Wirtschaft, die Gesellschaft und das Land als Ganzes sicher zu stellen“ so der stellvertretende Staatssekretär Dr. Chin Weih Keh im Gespräch mit GOVET „braucht es eine qualitativ hochwertige Berufsausbildung“. Hier müsse es gelingen, ein Umdenken in der Industrie anzustoßen. Über die Etablierung ausgesuchter Unternehmenszweige mit Pilotfunktion könnte sich eine neue Ausbildungs-, Qualifikations- und Qualitätskultur mit dualen Strukturen anstoßen lassen. Das zeigen gute Beispiele aus den Kooperationsländern.
Ausbildungszentren und Berufsschulen beeindrucken durch Fortschritt und Kompetenz
Anregungen und fachlichen Rat holten sich die Gäste aus Brunei unter anderem im Kompetenzzentrum der Innung Sanitär – Heizung – Klempner – Klima (SHK) Berlin. Das SHK-Kompetenzzentrum vermittelt gemeinsam mit der Stiftung „Handwerk stiftet Zukunft“ Expertise an den Fachkräfte-Nachwuchs. Mit neuesten technologischen Entwicklungen beraten und qualifizieren die Experten deutschlandweit und im Ausland. Auch die weiteren Anlaufstationen im Bereich Automotive und Handwerk des Study Visits veranschaulichten auf beeindruckende Weise, wie weit und differenziert die spezialisierte Fachausbildung heute ist. Dabei bieten digitalisierte Ausbildungshilfen bemerkenswerte Möglichkeiten.
Die engagierten Schul- und Ausbildungsleiter berichteten aber auch von Problemen in der Berufsbildungsrealität: Die Investition in die Motivation und Unterstützung teils noch orientierungshilfebedürftiger junger Menschen kostet Ressourcen, Geduld und Überzeugungsarbeit. Dass sich das lohnt, erlebte die Delegation in der Begegnung mit etlichen hochmotivierten jungen Männern und Frauen, die mit sehr gutem Fachenglisch, selbstreflektierten Karrierewegen und Begeisterung für ihren Beruf Eindruck hinterließen. Dabei haben Geschichten wie die einer angehenden Mechatronikerin am Oberstufenzentrum Kraftfahrzeugtechnik (OSZ KFZ) gezeigt, dass die Motivation zum Erlernen eines Berufs nicht selten Lebensweltbezug braucht und häufig unvorhersehbar ist: „Ich hatte einen Autounfall und wusste nicht, wie ich den teuren Schaden bezahlen soll. Da habe ich mir gesagt: Das nächste Mal repariere ich selbst!“ Unisono gaben dementsprechend Staatssekretär Schütte und alle Gastgeber der Delegation mit auf den Weg: Hohe Durchlässigkeit und Flexibilität im (Berufs-)Bildungssystem, wie wir sie in Deutschland an vielen Stellen schon haben, sind entscheidende Kriterien für hohe Beschäftigungsquoten und die Fachkräfte-Qualifizierung.
Partnerschaften, Netzwerke und Prognosen auf dem Weg zur TVET-Reform
Am Ende des Besuchs aus Brunei erfuhr der mitgebrachte Wunsch nach Austausch und Kooperation mit deutschen Ausbildungsstätten, Bildungsanbietern wie auch Unternehmen, Bestätigung und Nachdruck: „Brunei als kleines Land mit begrenzter Branchenvielfalt könnte davon profitieren, […] Partnerschaften mit deutschen Berufsschulen aufzubauen“ resümierte Dr. Chin Wei Keh „…da sie sehr nah an den Unternehmen und Branchen und ihren Produkte sind.[…] Wir müssen jetzt die richtigen Personen und Mechanismen finden und uns Know-How zur dualen Ausbildung ins Land holen.“
GOVET-Mitarbeiterin Dr. Hannelore Kress hatte den Kontakt zu dem TVET-engagierten Regierungsvertreter Bruneis beim ASEM-Workshop in Riga 2018 geknüpft. Mit Blick auf weitere mögliche nächste Schritte empfahl Dr. Kress der Delegation, sich auch im ASEAN-Raum weiter zu vernetzen. Dort existieren bereits aktive Kooperationen und Initiativen zur Berufsbildung, etwa in Vietnam, Singapur oder über einen Runden Tisch zur Berufsbildung, den die deutsche Botschaft in Kuala Lumpur (Malaysia) etabliert hat. Konkrete Unterstützung bot GOVET in Form einer möglichen Summer School zu Methoden der Datenerhebung im Bereich Arbeitsmarktanalyse und TVET-Bedarfe an. Deutlich wurde, dass evidenzbasierte mittel- bis langfristige Prognosen – insbesondere hinsichtlich personeller Kapazitäten – zu den wichtigsten Instrumenten einer kohärenten TVET-Strategie-Entwicklung gehören.