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Staubbedeckte Diamanten: Kreative Bildungskonzepte an israelischen beruflichen Fachschulen

Über 30 Teilnehmer*innen zählte das Webinar „Kreative Bildung als Chance für Jugendliche“ des Israel-Programms. In dem Webinar stellten Expert*innen innovative, pädagogische Modelle vor, die an israelischen beruflichen Fachschulen umgesetzt werden.

Zwei Jugendliche in einer Schule, die mit „Shutafim“-Schulfirmen oder „Shutafim“-Bildungsunternehmen  kooperiert
„Shutafim“-Schulfirma an einer Fachschule im Kibbuz Ravis.

Im ersten Webinar 2024 mit dem israelischen Arbeitsministerium stellten drei Expert*innen ein innovatives, pädagogisches Modell zeitgemäßer Berufsbildung vor. Das Expertenteam setzt sich zusammen aus Abteilungsleiter für „Jugendbeschäftigung“ Dr. Eyal Erlich und den Pädagogen Reuven Fater und Yael Egozi Abudy aus dem Projekt „Shutafim“ (dt. Partner). Sie betonten, dass das traditionelle Bildungssystem oft den Anforderungen des 21. Jahrhunderts nicht gerecht wird und eine künstliche Trennung zwischen Lernen und Leben schafft.
Im Webinar zeigte sich, dass die aktuellen Herausforderungen der internationalen Bildungssysteme ähnlich sind. Zugespitzt formulieren dies die israelischen Kollegen Dr. Eyal Erlich, Yael Egozi Abudy und Reuven Fater folgendermaßen:

  • das Bildungssystem hat Schwierigkeiten, den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden;
  • die Schule hat eine künstliche Barriere zwischen Lernen und Leben geschaffen;
  • die theoretisch geprägte Schule schließt viele unterschiedliche Potentiale von Menschen aus;
  • insbesondere die berufliche Bildung liefert angemessene Antworten;
  • die Berufsbildung kann neu definieren, was Schule ist.

Das israelische Arbeitsministerium unterstützt das innovative, landesweite Modell moderner Berufsbildung. Das Modell sieht eine unabhängige, dual-humanistische kreative Ausbildung vor und wird wissenschaftlich begleitet. Eine Untersuchung zeigt, dass die Werte verschiedener Indikatoren in Schulen, die sich im kreativen Bildungsprozess befinden, meist höher sind als in Schulen, die noch nicht daran teilnehmen. Besonders ausgeprägt ist der positive Wert der kreativen Bildung beim Indikator Autonomie. Weitere Pluspunkte sind das Zugehörigkeitsgefühl, Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit, das Schulklima und das Verhältnis zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schüler.  Die israelischen Expert*innen sind der Ansicht, dass die Berufe zu Mediatoren zwischen Schule und Leben werden.

Eigenverantwortung fördern

Die in den Schulen angedockten „Shutafim“-Schulfirmen oder „Shutafim“-Bildungsunternehmen vermitteln Erfahrungen von Selbstwirksamkeit und Eigenverantwortung und somit fördern sie die persönliche Entwicklung der Schülerinnen und Schüler. Das gemeinsame Meistern von Herausforderungen schafft ein positives, nachhaltiges und dynamisches System, das auf Vertrauen, Freiheit und Verantwortung basiert. Die Arbeit in den Schulfirmen ist somit eine Plattform für Lernen und Entwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten des 21. Jahrhunderts. Viele Schulen setzen Schwerpunkte wie Mediengestaltung, IT-Services, nachhaltiger Tourismus und Kulinarik. Die Anbindung an die kommunale Ebene ist sehr eng und die Kommunikation in die Schulen hinein funktioniert sehr gut. So kommen beispielsweise neue Erkenntnisse, etwa Empfehlungen für Jugendliche mit besonderem Förderbedarf, schnell in den Schulen an. Die Schulen sind zudem offen für alle Interessierten. So entstehen Schulfirmen wie „Yalla Party“, „3D Mharat“ oder „Cactus Media“ in vielen unterschiedlichen Bereichen - darunter Eventplanung, Printing, Schweißen, Tourismus und Haustiere. Die Produkte und Dienstleistungen werden professionell entwickelt und zur Marktreife gebracht. Die Schulleitung nimmt eine besondere Rolle ein, denn die Firmen müssen einerseits einen bestimmten Umsatz erwirtschaften und andererseits einen Teil ihrer Kontrolle an die Lernenden abgeben. Mentor*innen unterstützen bei der Umsetzung der langjährigen Projekte. So entstehen eine Community und ein soziales Umfeld – auch für den Austausch untereinander. Die Schülerinnen und Schüler werden fair bezahlt, übernehmen Verantwortung, entwickeln unternehmerische Kompetenzen und stehen so nach abgeschlossener Ausbildung dem aktuellen Arbeitsmarkt zur Verfügung.

Die Diskussion im Anschluss warf u.a. Fragen der praktischen Umsetzung auf sowie nach der Gewinnung und Motivation der Schülerinnen und Schüler. Es wurde auch über die Anerkennung von (Teil-) Abschlüssen sowie Durchlässigkeit und über Auswirkung für Beschäftigung nach der Ausbildung gesprochen.

Das dynamische Modell der kreativen, dual-humanistischen Bildung, in dem die Lernenden individuell gesehen werden und gemeinsam etwas Nachhaltiges schaffen, können sich Expert*innen aus Deutschland während einer Studienreise anschauen. Das Israel-Programm beabsichtigt, die Studienreisen nach Israel wieder aufzunehmen, sobald es die Verhältnisse im Land zulassen und das Auswärtige Amt die Reisewarnung aufgehoben hat.

Weitere Informationen

Reuven Fater ist ein erfahrener und erfolgreicher Impact Manager, der pädagogisches Unternehmertum mit betriebswirtschaftlichem Fachwissen kombiniert. Mit seinem Hintergrund in der informellen Bildung und Lehre schafft er innovative Bildungsprogramme, besonders in der Jugendbeschäftigung. Seine Initiative "Shutafim" (dt. Partner) vermittelt gefährdeten Jugendlichen unternehmerische Fähigkeiten, indem sie in kleine Bildungsunternehmen einbezogen werden. Das Programm, gestartet als Pilotprojekt, ist landesweit auf über 40 Unternehmen gewachsen. Reuven entwickelt und implementiert Bildungsinhalte, Geschäftsmethoden und Schulungen und reagiert flexibel auf Krisen, etwa durch die Produktion von Krankenhausausrüstung während Covid-19 und Schutzausrüstung im Gaza-Krieg.

Dr. Eyal Erlich leitet im Arbeitsministerium die Abteilung für Jugendbeschäftigung undBerufsbildung. Er setzt das duale Ausbildungsmodell in den Schulen ein und verantwortet das Monitoring und die Evaluation von Bildungsprogrammen und verschiedenen Ausbildungsmodellen. In seiner Doktorarbeit untersuchte er die gemeinsame Bildung von arabischen und jüdischen Jugendlichen und die dabei entstehenden sozialen Bindungen.