Prüfungen im Wandel: Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und neue Qualitätsstandards in der Berufsbildung
Ein Rückblick auf das Webinar „Kompetenzbasierte berufliche Ausbildung und Entwicklungen im Prüfungswesen“
Was bedeutet die wachsende Rolle der Künstlichen Intelligenz für das Prüfungswesen und die Akkreditierung in der beruflichen Bildung? Darum ging es beim Webinar am 11. Dezember 2024 mit israelischen und deutschen Expertinnen und Experten.

Rund 30 Interessierte nahmen am letzten Webinar des Jahres 2024 im Rahmen des Deutsch-Israelischen Programms zur Zusammenarbeit in der Berufsbildung teil. Während sich das vorherige Webinar mit „Kreativität in der Bildung“ befasst hatte, standen diesmal das Prüfungswesen, die Akkreditierung und die wachsende Rolle der Künstlichen Intelligenz im Fokus.
Der technologische Wandel stellt hohe Anforderungen an die Ausbildungssysteme: Kompetenzen müssen effektiv vermittelt, anerkannt und geprüft werden. Dies erfordert ein komplexes Zusammenspiel von Lehrkräften, Prüfenden und Institutionen. Dabei stellt sich die Frage: Sind Fachkräfte in der Lage, interkulturell sensibel in multiprofessionellen Teams zu agieren und gleichzeitig komplex sowie lösungsorientiert zu denken?
Deutschland und Israel verfolgen unterschiedliche Ansätze zur Bewältigung dieser Herausforderungen. Das Webinar bot hierzu interessante Einblicke in beide Systeme.
Die Rolle von Prüfungen im deutschen Berufsbildungssystem
Andreas Bähre von der Zentralstelle für Prüfungsaufgaben (ZPA) Nord-West in Köln erläuterte die Rolle von Prüfungen im deutschen Berufsbildungssystem. Er betonte:
Abschlussprüfungen sind nicht nur das Ende der Ausbildung, sondern ein Nachweis der Berufseingangsqualifikation auf Fachkräfteniveau. Sie stellen einen Qualitätsmaßstab für das gesamte Berufsbildungssystem dar und gewährleisten die Einhaltung beruflicher Standards.
Andreas Bähre von der Zentralstelle für Prüfungsaufgaben (ZPA) Nord-West in Köln
Mit der zunehmenden Digitalisierung müssen auch die Prüfungsmechanismen weiterentwickelt werden. Seit 2023 testet die ZPA Nord-West die digitale Durchführung schriftlicher Zwischenprüfungen in 13 Ausbildungsberufen. Rund 2.000 Teilnehmende pro Prüfungstermin nutzen Tablets, Notebooks oder PCs in den Industrie- und Handelskammern (IHKs). Doch nicht nur die Prüfungsformate müssen angepasst werden – auch die Prüfungsinhalte. Individuelle Bildungsbedarfe und unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten erfordern flexible Ausbildungs- und Prüfungsmodelle. Erste Schritte in diese Richtung sind Teilqualifizierungen (TQ) sowie das Berufsbildungsvalidierungsgesetz (BVaDiG ) zur Anerkennung informell erworbener beruflicher Qualifikationen.
Künstliche Intelligenz als Prüfungsinhalt und Hilfsmittel
Christian Hollmann vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) stellte die Frage, welche Rolle KI im Prüfungswesen spielen kann. Derzeit sei der direkte Einsatz von KI in Prüfungen rechtlich nicht zulässig, da schriftliche Prüfungen zwar digital, jedoch ohne Internetzugang durchgeführt würden. Dennoch könne KI als Prüfungsgegenstand an Bedeutung gewinnen – beispielsweise in Berufen, die Datenanalysen erfordern. Ein Prüfungsbereich könnte lauten:
"Datenanalysen zur Optimierung von betriebs- und produktionswirtschaftlichen Prozessen planen, durchführen und evaluieren."
Hierzu gehören Kompetenzen wie:
- Analytische und statistische Methoden zur Datenanalyse einsetzen
- Maschinelles Lernen zur Datenanalyse nutzen
- Werkzeuge zur Datenanalyse bewerten und auswählen
- Ergebnisse visualisieren und interpretieren
KI-gestützte Textoptimierung: Mehr Chancengleichheit in Prüfungen
Dr. Susanne Wagner, Geschäftsführerin des Instituts für Textoptimierung (IFTO) GmbH, stellte das Projekt TOP.KI vor, das KI zur sprachlichen Vereinfachung von Prüfungsfragen einsetzt. Frau Wagner betont:
Prüfungstexte sind in Deutschland oft sprachlich anspruchsvoll. Erstellungsausschüsse setzen sich aus Fachleuten der Berufsbildung zusammen, die jedoch keine Sprachexperten sind. Dies kann für Menschen mit geringer Schriftsprachkompetenz eine Hürde darstellen – darunter Menschen mit Hörbehinderung, Sprachbehinderung, Autismus oder nicht-deutscher Erstsprache.
Dr. Susanne Wagner, Geschäftsführerin des Instituts für Textoptimierung (IFTO) GmbH
Eine Lösung seien Prüfungen in einfacher Sprache, die Begriffe und Satzstrukturen vereinfachten, ohne den fachlichen Inhalt zu verändern. Diese Form der Textoptimierung erfordere zwar zusätzlichen Aufwand, verbessere jedoch die Chancengleichheit erheblich.
Berufsbildung in Israel: Anerkennung und Akkreditierung
Frau Chani Zohar vom israelischen Arbeitsministerium (MOLSAS) erläuterte die Komplexität der Ausbildungsanerkennung und die Abstimmung mit allen beteiligten Institutionen in Israel. Dies sind u.a. die Berufsbildungsabteilung des Arbeitsministeriums (MAHAT, staatliches Institut für Ausbildung in Technologie und Wissenschaft), der Hochschulrat (CHE), und akademische Hochschulen, Israelische Streitkräfte (IDF), und das Bildungsministerium, das zuständig für angewandte Technik in der Oberstufe ist. Um die Arbeitsmarktchancen zu verbessern, solle ein nationaler Qualifikationsrahmen geschaffen werden. Ziel sei die umfassende Akkreditierung aller Berufsbildungsabschlüsse. Gleichzeitig sollen Ausbildungsprogramme entsprechend den europäischen Qualifikationsstandards (EQF) überarbeitet werden.
Was nehmen die Teilnehmenden mit?
Das Webinar gab interessante Einblicke in die aktuellen Herausforderungen der Qualitätssicherung in der Berufsbildung – insbesondere im Hinblick auf Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Deutlich wurde, dass sowohl in Deutschland als auch in Israel die Kommunikation und Koordination zwischen den verschiedenen beteiligten Institutionen entscheidend für nachhaltigen Erfolg sind.